Mit neuem Kapitän und Teammanager zieht der Club im Abstiegskampf die letzten Trümpfe. Es ist das richtige Zeichen.

Jeder spürte es, auch von außen: Wäre beim HSV alles so weiter wie bisher gelaufen, hätte der erste Absteiger aus der Fußball-Bundesliga so gut wie festgestanden. Verunsicherung, Angst, Auflösungserscheinungen – rund um die Mannschaft gab es kaum noch etwas, was HSV-Fans Hoffnung machte.

Dass nun Trainer Markus Gisdol am Donnerstag Gotoku Sakai zum neuen Kapitän und Hockey-Nationalspieler Tobias Hauke zum Teammanager (zuvor im Pressestab) beförderte, bedeutet zwar nicht, dass der HSV plötzlich eine bessere Chance hat, im so wichtigen Auswärtsspiel bei 1899 Hoffenheim am Sonntagnachmittag zu punkten. Aber mit diesen Maßnahmen ist eine nicht zu unterschätzende Botschaft verknüpft: Bäumt euch endlich auf gegen euer Schicksal!.

Entscheidungen des HSV sind richtig

Zunächst einmal ist der Wechsel das Eingeständnis, dass der Mannschaft die richtige Balance fehlte, vor allem auf der Führungsspieler-Ebene. Und natürlich muss die Neubesetzung als Entscheidung gegen den bisherigen Kapitän Johan Djourou interpretiert werden. Dessen jüngste unglückliche Äußerungen nach der 2:5-Niederlage gegen Borussia Dortmund dienten somit nur als willkommener Anlass, aktiv zu werden.

Der Autor ist Sportchef beim Abendblatt
Der Autor ist Sportchef beim Abendblatt © HA | Andreas Laible

Die beiden Personalentscheidungen gehen zweitens in die richtige Richtung. Nur wenn es gelingt, den sportlichen Bereich zu stärken und zu einen, ist der zum frühen Zeitpunkt der Saison jetzt schon eher unwahrscheinliche Klassenerhalt nicht völlig ausgeschlossen. Die Trendwende muss jetzt her – nicht erst in der Winterpause, wenn weitere Noteinkäufe möglich sind.

Hauke steht für Teamspirit

Natürlich, Hauke schießt keine Tore, aber der Olympiasieger, Weltmeister und Welthockeyspieler könnte den Spielern helfen, im Kopf den Reset-Knopf zu drücken und einen Neuanfang zu starten. Sein Name steht für Erfolg, für Teamspirit.

Ähnliche Bedeutung hat Sakais Ernennung: Die Last der Verantwortung kann und soll eben nicht von wenigen Fußballern getragen werden. Alle müssen mitmachen, alle müssen kämpfen und hart arbeiten auf dem Platz. Wer sich wegduckt, steigt ab.

Spieler müssen eine Reaktion zeigen

In diesem Zusammenhang sind auch – auf Funktionärsebene – die Äußerungen des Aufsichtsratsvorsitzenden Karl Gernandt zu verstehen, der sich nicht abgrenzt, sondern versucht, Dietmar Beiersdorfer so lange wie möglich zu stützen und ihn bei seinen Entscheidungen zu beraten.

Die Veränderungen als Panikaktionen, als blinden Aktionismus einzustufen (was sicher einige tun werden), wäre deshalb falsch. Wohl aber sind sie letzte Trümpfe, um der sportlichen Todesspirale zu entkommen. Bei weiteren Pleiten, vor allem im Nordderby gegen Werder Bremen, wäre der mühsame Versuch, den sportlichen Bereich zu stärken, fast schon wieder gescheitert.

Man darf gespannt sein, welche Reaktion das HSV-Team, das sich in dieser Saison schon so viele unterirdische Auftritte geleistet hat, nach der Länderspielpause zeigt und ob die Maßnahmen zumindest ein mutigeres Auftreten zur Folge haben. Ein Blick auf die Ansetzungen bis zum Winter zeigt, dass (in der Theorie!) durchaus noch einige Siege für den HSV möglich wären gegen die Konkurrenz aus Bremen, Darmstadt, Augsburg und Mainz.

Kapitänswechsel kann kurzfristigen Erfolg bringen

Wie schnell sich die Statik einer Mannschaft nach einem Kapitänswechsel verändern kann, dafür gibt es viele prominente Beispiele. Man denke nur an die WM 2010. Als sich Michael Ballack kurz vor Turnierbeginn verletzte, schien die deutsche Nationalmannschaft in Südafrika chancenlos. Im Nachhinein ist man bekanntlich schlauer: Ohne ihren Leitwolf entwickelte sich bei der nachfolgenden Generation um Philipp Lahm ein gruppendynamischer Prozess, der nicht nur leistungsfördernd wirkte, sondern in der Folge sogar zum WM-Titel 2014 führte.

Als äußerst erfolgreich entpuppte sich in dieser Bundesliga-Saison auch die kurzfristige Neubesetzung des Kapitänsamts in Berlin, wo Vedad Ibisevic Fabian Lustenberger ablöste und die Hertha mit ihrem unbequemen Torjäger und Motivator seitdem zu den Topteams der Liga gehört.