Bessere Luft, weniger Lärm und Müll gibt’s nicht einfach so. Wir müssen uns ändern

So geht’s natürlich auch nicht: Erst in die Stadt ziehen und sich dann dar­über aufregen, dass da auch noch viele andere leben und dass es deswegen nicht so verschlafen und leise zugeht wie auf dem Dorf. (Wobei Leute auf dem Land mittlerweile ja angeblich auch schon Nachbarsbauern verklagen, deren Hähne beim Morgenkrähen die Dezibel-Grenzwerte verletzen.)

Das ist eine mögliche Sichtweise: Wer in der Stadt wohnt und die Vorteile des urbanen Lebens genießt, muss sich auch mit den Nachteilen arrangieren – also Lärm von Auto-, Bahn- und Flugverkehr und hohe Belastung der Atemluft mit Giften aus Abgasen. Dies gehöre zu einer Stadt mit brummender Wirtschaft wie Pfeffer in den Tomatensaft auf dem Urlaubsflug, so diese Denke.

Man kann das so sehen – und sich gegen Maßnahmen für mehr Gesundheitsschutz aussprechen. In Hamburg würde das bedeuten: Man akzeptiert, dass 144.000 Menschen krank machenden Lärm ertragen, 200.000 Anwohner großer Straßen Gifte einatmen müssen – und Schiffe ungehindert Dreck in die Luft blasen dürfen. Dann kann man sagen: Die Freiheit eines nachts durch die Straßen dröhnenden Motorradfahrers ist uns wichtiger als der Schlaf der tausend Menschen, die er aufweckt.

Vielleicht sollte man aber zumindest die Frage diskutieren, ob wir uns in den Metropolen der Zukunft nicht auch anders organisieren können. So, dass wir nicht die Gesundheit von Hunderttausenden aufs Spiel setzen, von denen viele es sich gar nicht leisten können, in ruhigen, gesünderen Lagen zu wohnen oder aufs Land zu ziehen.

Natürlich steht Hamburg mit diesen Sorgen nicht allein da. Hunderte europäischer Städte kämpfen mit den Belastungen durch Lärm, Abfallberge und aus Dieselmotoren stammenden Stickoxiden in der Atemluft. In Hamburg werden die EU-Grenzwerte seit Einführung 2010 durchgehend überschritten. Während Städte wie Paris oder London und viele deutsche Me­tropolen den Individualverkehr längst durch Umweltzonen oder City-Maut beschränken, will Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz weiterhin auch die größten Dieselstinker in die City lassen. An den Steuervorteilen für den besonders giftigen Diesel will er nicht rütteln. Beim Lärmschutz wird auch vier Jahre nach Erstellung der Lärmkarten an gerade mal drei lärmbelasteten Straßen ein nächtliches Tempolimit erprobt. Derweil steigt die Zahl der in der Stadt angemeldeten Privatwagen weiter. Und beim Recycling steht Hamburg im Vergleich auch nicht gut da.

Als Vorreiter der ökologischen, menschenfreundlichen Stadt von morgen hat sich die Hansestadt bisher also nicht hervorgetan. Das liegt auch daran, dass Scholz Konflikten aus dem Weg geht, wo er kann. Er setzt statt auf eine Verhaltensänderung lieber auf „ingenieurgetriebenen Umweltschutz“. Spätestens nach dem VW-Abgasskandal wirkt diese Hoffnung seltsam naiv.

Die Wahrheit ist: Wenn wir gesündere Städte wollen, müssen wir alle unser Verhalten ändern. Dann wird nicht mehr jeder mit jedem noch so lauten und umweltschädlichen Privatgefährt jederzeit überall fahren können. Dann werden wir sozialverträglichere Formen der Mobilität fördern und unverträglichere einschränken müssen. Ingenieure werden uns die Probleme nicht abnehmen. Statt uns das vorzugaukeln, sollte auch die Politik echte Lösungen zur Diskussion stellen. Bleibt sie so mutlos wie zuletzt, werden wohl auch in Hamburg Gerichte die wichtigen Entscheidungen in der Verkehrs- und Umweltpolitik fällen.