Am letzten Spieltag geht’s für den HSV um Millionen – aber nicht jeder Profi kann die nötige Spannung aufbauen. Warum eigentlich nicht?
Ach, wäre ich doch nur Profifußballer. Sich mit spektakulären Toren die Liebe der Massen zu erspielen, mit dem Kuss auf das Wappen die Treue zu dokumentieren und beim Blick auf den monatlichen Kontoauszug ein wohliges Gefühl in sich aufsteigen zu lassen – das hätte was. Und das Beste am Profileben: Wenn ich mal keinen Bock auf Arbeit hätte, könnte ich meinem Chef einfach sagen: Du, ich bleibe heute mal lieber zu Hause. Und dieser nickt verständnisvoll und sucht sich jemanden, der meinen Job erledigt, während ich den freien Nachmittag für einen Ausflug mit der Familie nutzen kann.
Zu dick aufgetragen, meinen Sie? Lesen Sie sich den Bericht über Jaroslav Drobny durch, der beim letzten Saisonspiel des HSV nicht im Tor stehen will. Weil der Club den auslaufenden Vertrag nicht verlängert und der Torhüter über den Umgang mit ihm „not amused“ ist, glaubt er, die nötige Spannung nicht aufbauen zu können, um der Mannschaft zu helfen.
Jetzt tief Luft holen, Entspannungsübungen durchführen, den Puls beruhigen. Und vielleicht erst mal eine Schleife drehen. Seit 2010 steht der Tscheche beim HSV unter Vertrag, der ihm zunächst rund 1,5 Millionen Euro pro Saison einbrachte und nach einer Verlängerung 2015 immerhin noch 900.000 Euro. Nicht schlecht für einen 36-Jährigen, der sich stets der Gunst der Fans sicher sein konnte, weil er nicht nur einen guten Kontakt zu ihnen pflegte, sondern auch mehrfach bewies, dass er nicht zu den angepassten Profis gehört, die ihre Eitelkeit im Glanz der Öffentlichkeit befriedigen. Abgesehen davon ist es auch ihm zu verdanken, dass der HSV noch erstklassig spielt.
HSV kann sich keine Minusleistung in Augsburg erlauben
Was sich Drobny aber jetzt erlaubt, ist ein Verrat an den HSV-Anhängern. Ob er sich ordentlich behandelt fühlt oder nicht von Bruno Labbadia oder Vorstand Dietmar Beiersdorfer, spielt überhaupt keine Rolle. Der Torhüter hat bis zum letzten Tag alles zu geben, so viel Ehrgefühl müsste er in sich tragen. Oder hat er Finanzvorstand Frank Wettstein etwa schon angewiesen, die Gehaltszahlungen ab dem 12. Mai einzustellen?
Ob es vom HSV-Coach richtig ist oder nicht, auf Drobnys Urlaubsgesuch einzugehen, ist eine andere Frage, über die sich trefflich streiten lässt. Fakt ist, dass es sich der HSV nicht leisten kann, in Augsburg die Saison austrudeln zu lassen, schließlich richtet sich die Verteilung der TV-Gelder nach dem sportlichen Abschneiden in den vergangenen fünf Jahren, wobei die jüngste Saison mit dem Faktor fünf bewertet wird.
Drobny: Schlaffi-Gen statt Eier
Bezogen auf den HSV bedeutet dies, dass er im besten Fall in der „TV-Tabelle“ vom 13. auf den elften Platz vorrücken kann (wenn der Bundesliga-16. in der Relegation absteigt), im Negativfall aber noch auf Rang 14 zurückfällt. Je nach Variante beträgt die Differenz 2,4 Millionen Euro. Außerdem fließt die sportliche Platzierung ja vier weitere Jahre in die Bewertung ein.
Hätte also, um im Drobny-Jargon zu bleiben, „Drobo“ nicht das Schlaffi-Gen in sich, sondern die "Eier", das HSV-Wohl über seine eigenen Befindlichkeiten zu stellen, könnte er in Augsburg dazu beitragen, dass sich der Club das Gehalt seines Nachfolgers leisten kann – das hätte doch wahre Größe.