Der neue Innensenator Andy Grote (SPD) muss schnell das Vertrauen der Bürger gewinnen.
Hamburgs berühmtester Innensenator war bei seinem Amtsantritt gar kein Innenpolitiker: Helmut Schmidt. Dass er seine Aufgabe sehr gut gemeistert hat, steht außer Frage und heute in den Geschichtsbüchern. Nun wäre es vermessen, Hamburgs neuen Präses der Innenbehörde, den bisherigen Mitte-Bezirksamtsleiter und Sozialdemokraten Andy Grote, mit Helmut Schmidt zu vergleichen. Deutlich werden soll nur eines: Um ein guter, das heißt erfolgreicher Innensenator zu werden, ist umfangreiche Fachkenntnis nicht zwingend Voraussetzung.
Mehr als in anderen Ressorts geht es gerade bei der inneren Sicherheit um Psychologie, Einfühlungsvermögen und Vertrauen. In zweifacher Hinsicht: Gegen den (Polizei-)Apparat kann kein Senator regieren. Mit anderen Worten: Grote wird sehr schnell lernen müssen, wie vor allem Polizeibeamte ticken, und er wird ihre Sprache sprechen müssen. Die Polizei erwartet von der politischen Leitung vor allem loyale Unterstützung und ansonsten möglichst wenig Einmischung.
Zweitens muss ein Innensenator imstande sein, in der Bevölkerung Vertrauen dafür zu wecken, dass die innere Sicherheit bei ihm in guten Händen ist. Verbrechen, kleine und große, wird es immer geben. Kriminalitätsstatistiken lassen sich häufig genug so oder so interpretieren. Gefährlich wird es, wenn der öffentliche Eindruck entsteht, die Polizei habe die Lage nicht im Griff oder sei gar hilflos. Deswegen sind die massenhaften sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht so bedrohlich für die innere Sicherheit. Es gehört zur Rollenbeschreibung des Innensenators, dass er Gesetz und Ordnung mit starken Worten vertritt, gerade auch nach Ereignissen wie denen des Jahreswechsels. Grotes Vorgänger Michael Neumann (SPD) verstand sich auf diese Politik der klaren Kante und ihre Symbole.
Der neue Innensenator hat sich bislang eher als Moderator – etwa beim Streit um den Abriss der Esso-Häuser auf St. Pauli – einen Namen gemacht. So verdienstvoll das ist – jetzt gelten andere Spielregeln, und Grote wird sich schnell mit denen vertraut machen müssen.
Ein Aspekt kommt hinzu: Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die Sozialdemokraten mit Blick auf die Lage der inneren Sicherheit nervös sind, allen voran Bürgermeister Olaf Scholz. Die SPD hat die Bürgerschaftswahl 2001 mit dem Innensenator Scholz verloren, weil zu viele Wähler ihr nicht mehr zutrauten, für eine sichere Stadt zu sorgen. Und dieses Trauma wirkt fort.
Die Übergriffe der Silvesternacht, die Verunsicherung der Bevölkerung aufgrund der großen Zahl von Flüchtlingen insgesamt und der daraus entstehenden Probleme, die Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Rockerbanden auf dem Kiez oder der Anstieg der Einbruchszahlen sind Stichworte für die Herausforderungen, vor denen Andy Grote steht. Es ist die große Leistung von Michael Neumann, dass er es geschafft hat, die innere Sicherheit über die fünf Jahre seiner Amtszeit weitgehend aus den Schlagzeilen gehalten zu haben. Mit der inneren Sicherheit kann man Wahlen zwar verlieren, aber nicht gewinnen.
Grote bringt reichlich Verwaltungserfahrung mit. Hilfreich ist, dass er die Probleme, die aus der Unterbringung von Flüchtlingen vor Ort entstehen können, genau kennt. Wenn er als Senator mit Fähigkeit zum Ausgleich Konflikte entschärfen kann, ist das auch ein Beitrag zur inneren Sicherheit. Entscheidend wird aber sein, dass Grote in Worten und Taten insgesamt einen klaren Kurs für mehr Sicherheit fährt. Erste Äußerungen lassen die Entschlossenheit erkennen. Viel Zeit zum Beweis wird ihm nicht bleiben.