Hamburg. Bürgerschaft wählt Andy Grote zum Innensenator. Nach Ärger um den Zeitpunkt der Wahl überrascht Opposition dann den SPD-Politiker.

Fast zwei Stunden musste Andy Grote, 47, warten, bis die Bürgerschaft ihn als neuen Innensenator bestätigt hatte. Um 16.52 Uhr gab Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) das Ergebnis bekannt: 72 der 118 anwesenden Abgeordneten stimmten für den ehemaligen Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte. 43 stimmten mit Nein, drei enthielten sich. Als Erster gratulierte ihm SPD-Fraktionschef Andreas Dressel – mit Blumenstrauß und einer festen Umarmung.

Eigentlich hätte die Wahl auch sehr viel früher, nämlich noch vor der Aktuellen Stunde, über die Bühne gehen können. Es hätte lediglich der Zustimmung durch die CDU-Fraktion bedurft. Doch die hatte sich, wie berichtet, geweigert, die Abstimmung vor Eintritt in die Tagesordnung durchzuführen.

Kleinkariertes Verhalten der CDU?

CDU-Fraktionschef André Trepoll hatte darauf bestanden, die Reihenfolge einzuhalten, da seine Fraktion den Vorschlag für das Thema der Aktuellen Stunde vor dem Rücktritt des bisherigen Innensenators Michael Neumann (SPD) eingereicht habe. Andreas Dressel hatte das Vorgehen der Union als „sehr kleinkariert“ bezeichnet. Solche Hakeleien gehören zum politischen Geschäft.

Auf diese Weise wurde Grote um die Gelegenheit gebracht, seine Jungfernrede als Senator in der Bürgerschaft zu halten. Denn in der Aktuellen Stunde befassten sich die Bürgerschaftsabgeordneten mit den sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht auf dem Kiez und am Jungfernstieg.

Grote selbst schien es gelassen zu nehmen. Er hatte in Begleitung seiner Lebensgefährtin Catherine Saavedra in der Senatsloge Platz genommen. Für ihn war es eine Rückkehr in die alte Wirkungsstätte. Von 2008 bis zu seinem Amtsantritt als Bezirksamtsleiter im Jahr 2012 war er selbst Abgeordneter der Bürgerschaft. Nun kehrte er als Innensenator zurück und winkte seinen Mitstreitern vor der Abstimmung aus der Loge zu.

Abgeordnete der Opposition stimmen für Grote

Nach der Vereidigung, die Grote mit der Formel „Ich schwöre, so wahr mir Gott helfe“ beendete, nahm er zum ersten Mal in der ersten Reihe auf der Senatsbank Platz. Rechts von ihm saß Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD), die selbst erst vor nicht einmal vier Monaten in den Senat gerückt war, und links von Grote die Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne).

Kommentar: Klare Kante gefordert

Das Abstimmungsergebnis bei der Wahl von Grote ist auf den ersten Blick wenig überraschend. Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen verfügen über 72 Abgeordnete. Und anders etwa als noch Leonhard, die im Oktober noch mindestens fünf Stimmen aus der Opposition erhielt, stimmt eigentlich niemand aus dem Gegenlager für einen Innensenator. „Ein gutes Pferd springt nur so hoch, wie es muss“, witzelte denn auch ein SPD-Mann kurz nach der Bekanntgabe des Ergebnisses.

Doch dann stellte sich heraus, dass die SPD-Abgeordnete Annegret Kerp-Esche es krankheitsbedingt nicht ins Parlament geschafft hatte. Das bedeutet, dass mindestens ein Abgeordneter der Opposition für Grote gestimmt hat. „Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden“, sagte Grote dem Abendblatt anschließend. Und dann verriet er, dass ihm sogar zwei Abgeordnete der Gegenseite eröffneten, sie hätten für ihn gestimmt.

Kritiker monieren, Grote sei kein Innenexperte

Das mögen Störfeuer gewesen sein. Aber für Gedankenspiele, wer der vermeintliche Abweichler in den eigenen Reihen denn sein könnte oder ob das überhaupt stimmt, hat Grote keine Zeit. Er übernimmt mit der Innenbehörde ein Ressort, welches derzeit wie kaum ein anderes im Fokus der Öffentlichkeit steht.

Am heutigen Donnerstag wird Michael Neumann das Amt formell an Grote übergeben. Der wird sich dann einen ersten Eindruck von der Behörde am Johanniswall (Altstadt) machen. „Dabei geht es nicht nur darum, mir einen Überblick über die Akten- und Sachlage zu verschaffen, sondern auch darum, die Mitarbeiter kennenzulernen“, sagte Grote.

Die drängenden Themen liegen auf der Hand: die sexuellen Übergriffe auf Frauen, Rockerkriminalität, die Bewältigung der Flüchtlingssituation, Einbrüche sowie Salafismus. Das Wichtigste sei, so Grote, „dass sich die Hamburger sicher fühlen können“.

Kritikern, die monieren, er sei kein Innenexperte, erwiderte Grote, dass er juristisch wie politisch erfahren sei. „Und als Bezirksamtsleiter kenne ich eine Reihe der Themenfelder, die jetzt vor mir liegen, aus dem praktischen Umgang.“ All das helfe ihm, die neuen Aufgabe zu bewältigen. Es sei auch kein Nachteil, die Widersprüche des Stadtteils St. Pauli bestens zu kennen, wo er wohnt. Auch das war ihm zum Nachteil ausgelegt worden. Zudem gebe es „viele Innenexperten, die keine Erfahrung haben, einen Behördenapparat zu leiten“. Anders als Grote. „Insofern habe ich gute Voraussetzungen.“