Das Verwaltungsgericht Hamburg schwächt die Macht der Handelskammer – gut ist das nicht.

Für die Handelskammer Hamburg ist es eine Woche des Schreckens. Gleich zwei Entscheide erschüttern das Selbstbewusstsein der mächtigen wie machtbewussten Kaufmannschaft. Eine Mehrheit der Bürger hat Olympia in der Stadt abgelehnt und damit eine Idee beerdigt, die in der Handelskammer geboren, entwickelt und forciert wurde – selbst als das olympische Feuer in der Hansestadt zu verlöschen schien. Der Ausgang des Referendums kam einem Schock gleich. Und es ist nicht der einzige, der die Kaufmannschaft trifft. Denn nun hat das Verwaltungsgericht der Handelskammer bei ihrer politischen Arbeit die Grenzen aufgezeigt. Sie darf sich, sollte das Urteil Bestand haben, in Zukunft nur noch sehr zurückhaltend zu politischen Fragen äußern.

Ein Engagement wie 2013 gegen den Rückkauf der Netze wird fortan kaum noch möglich sein. Für ihre Gegner – und davon gibt es in der Stadt einige – ist das Urteil eine Genugtuung. Und auch für manche Unternehmer, die sich als Zwangsmitglieder fühlen. Der erfolgreiche Kläger Dominik Lorenzen freut sich über „eine Rote Karte für die Handelskammer“, fügt aber hinzu, er wolle eine starke Kammer. Das überrascht dann doch: Einen Fußballfan, der sich eine starke Mannschaft und zugleich Rote Karten wünscht, suchte man bislang vergeblich. Der Kläger ist übrigens grüner Kreisvorsitzender von Eimsbüttel. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Aber ein Sieg vor Gericht bleibt ein Sieg vor Gericht.

Die Frage ist nur, wem er nutzt. Bei aller berechtigten Kritik bleibt festzuhalten: Die Handelskammer hat in ihrer Geschichte segensreich für die Stadt gewirkt, an ihrem Aufstieg mitgebaut. Sie stand schon für eine „Willkommenskultur“, als Internationalisierung ein Fremdwort war. Offenheit beschränkte sich nicht auf den Handel, sie prägte eine Geisteshaltung. Einzigartig ist bis heute die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Kaufleuten und Arbeiterklasse. Helmut Schmidt sprach von der „Synthese aus Buddenbrook und Bebel“, einem Amalgam, das Hamburg und seinen Geist geprägt habe. Ein Bündnis zu beiderseitigem Nutzen. Und eines, das bis heute wirkt: Ob Integration von Flüchtlingen, Hilfe für Existenzgründer oder Umweltberatung, die Handelskammer macht viel Basisarbeit, oft unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Sie auf politische Aussagen zu reduzieren ist so unangemessen wie unfair. Aber eine stumme Kammer kann niemand wollen. Interessenvertretung lautet eine ihrer Aufgabe seit 350 Jahren, damals galt es „Drangsahl und Beschwerden“ beim Hamburger Rat vortragen. Das muss ihr auch heute gestattet sein.

Die Vertretung von Unternehmen und das Engagement der Kammer infrage zu stellen ist demokratietheoretisch gefährlich. Jedem Kleingartenverein, jeder Flüchtlingsinitiative, jedem Umweltverband gestehen wir dieses Recht zu – und das aus gutem Grund. Das mag wegen der Pflichtmitgliedschaft bei der Kammer etwas anders bewertet werden, doch auch sie ist demokratisch legitimiert. Wer gegen die Mehrheit seiner Mitarbeiter agiert oder agitiert, wird dies nicht lange tun.

Es mag sein, dass die Kammer in ihrem Kampf gegen den Rückkauf der Energienetze ihr Mandat überstrapaziert hat. Aber gilt das nicht auch für die Verbände, die den Volksentscheid initiiert haben? Dazu gehören die Evangelische Kirche und die gemeinnützige Verbraucherzentrale Hamburg. Letztere wird zu mehr als der Hälfte vom Steuerzahler finanziert und soll Verbraucher beraten. Referenden zu organisieren zählt nicht zu ihrem Auftrag. Von einer Klage gegen die Verbraucherzentrale ist indes nichts bekannt.