Freude am Fußball statt Gewalt und Pyrotechnik: Beim ersten HSV-Spiel nach dem Terror von Paris muss jeder seine Verantwortung kennen .

„Die Spieler hat es getroffen.“ Sagt Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff. Gemeint waren damit die Ereignisse von Paris und Hannover. Und DFB-Interims-Präsident Dr. Rainer Koch stellte nach den Terroranschlägen rund um das Frankreich-Länderspiel fest: „Es ist eine neue Dimension erreicht.“ Deutschlands Innenminister Thomas de Maizière sprach nach dem Horror sogar von einer „neuen Art des Krieges“. Der Sport war plötzlich in den Hintergrund geraten.

Heute will die Fußball-Bundesliga mit dem Spiel HSV gegen Borussia Dortmund beweisen, dass der Sport nicht kapitulieren wird, sich auch nicht einschüchtern lässt. Dortmunds Chef Hans-Joachim Watzke hat es so formuliert: „Wir müssen weiterleben, sonst triumphieren die Terroristen.“

In der Nacht von Paris, als sich die Todeszahl der Anschlagsopfer fast mit jeder Minute erhöhte, dachte ich auch an meine Kollegen, mit denen ich über Jahrzehnte Fußballspiele besuchte, um darüber zu berichten. Ich hatte Angst um sie, sehr große Angst sogar. Wie direkt sind sie gerade von der Gefahr betroffen? Wie mögen sie jetzt reagieren? Was fühlen sie jetzt? Können sie sich in Sicherheit bringen?

Das schoss mir durch den Kopf. Und ich erinnerte mich an so manche prekäre Situation, die es schon beim Fußball gegeben hatte. So war mir ein Spiel in Rostock wieder gegenwärtig, als auf der Haupttribüne plötzlich Holzbänke und riesige Steine in unsere Richtung flogen. Wir flüchteten mit vielen Menschen und den Spielern in die Katakomben des Stadions und harrten dort ängstlich zitternd aus, bis sich die Lage entschärft hatte.

Ich erinnerte mich auch an ein Qualifikations-Länderspiel in Rotterdam. Da flogen schon morgens Steine gegen das deutsche Teamhotel, Autos mit deutschen Kennzeichen wurden zerkratzt, demoliert, die Spiegel abgetreten. Und einige Stunden vor dem Spiel schlugen und traten Niederländer und Deutsche in einer noch nie zuvor erlebten Brutalität aufeinander ein, dass mir die Redaktion in Hamburg beschied: „Du berichtest über die Fan-Randale vor dem Stadion, wir schreiben per Fernseher über das Spiel.“ Es war horrormäßig, total chaotisch – und auch schon so etwas wie „Krieg“. Und dennoch nicht annähernd vergleichbar mit dem, was vor einer Woche in Paris geschehen ist. Jetzt ist tatsächlich eine neue Dimension erreicht.

Und an genau diesem Punkt muss sich nun zeigen, wie verantwortungsbewusst die Fans sind. Nicht nur die des HSV, sondern die in Deutschland, in Europa. Jetzt muss jeder Anhänger, trotz großer und größter Rivalitäten zwischen den Clubs, den Verstand einschalten. Gewalt darf nun keinen Platz mehr beim Fußball haben, und auch Pyrotechnik darf ab sofort keine noch so kleine Rolle mehr spielen. Wer jetzt, spätestens jetzt nicht aufwacht und begreift, was in dieser Situation wirklich gefordert ist, dem ist tatsächlich nicht mehr zu helfen. Wir sollten und müssen ab sofort eng und noch viel enger zusammenstehen, denn wie heißt ein oft zitierter Spruch aus dem Volksmund: „Nur gemeinsam sind wir stark.“ Jetzt gilt es.

Und es muss dabei auch an die Spieler gedacht werden. Wir alle erwarten großartige Leistungen, wir erwarten, dass die Profis alles und zu 100 Prozent abrufen, dass sie reibungslos funktionieren, egal wie sie die terroristischen Vorfälle verarbeitet haben – aber wie soll das gehen? „Die Spieler hat es getroffen.“ So Bierhoff. Weil sie über Paris und Hannover ebenso denken wie wir alle. Sie sind entsetzt, und sie sind keine herzlosen Roboter.

Wir Zuschauer sind nun gefordert, den beiden Mannschaften, die auf dem Platz sportlich um die drei Punkte kämpfen, den nötigen Rückhalt und auch die Unterstützung zu geben – nur mit sportlich fairen Mitteln.

„Die Sicherheit hat oberste Priorität“, heißt es vonseiten des deutschen Fußball-Bundes. Jetzt, liebe Fans, zeigt unseren Fußballern, das tatsächlich, so wie es Dr. Koch gesagt hat, eine neue Dimension Einzug gehalten hat. Nämlich die des gewaltfreien Sports. Denn eines ist in diesen schweren Zeiten sicher: Nur gemeinsam sind wir stark.

Die HSV-Kolumne Matz ab erscheint auch täglich
im Internet unter www.abendblatt.de/matz-ab