Die Grenzen zwischen Hamburg und dem Umland sind längst aufgehoben. Davon profitieren die Nachbarländer.

Stadt oder Land? Die Frage beschäftigt die Menschen überall in Deutschland, aber kaum irgendwo ist sie so relevant wie in Hamburg. Das hat nichts mit der Sehnsucht nach ländlicher Idylle, sondern vor allem mit den hohen Mieten und Kosten für Immobilien in der Hansestadt zu tun. Soll heißen: Viele Menschen, die hier gern leben und wohnen würden, können es sich schlicht nicht mehr leisten.

Das mag besser werden durch das vom Senat mit Hochgeschwindigkeit betriebene Wohnungsbauprogramm, wird an der grundsätzlichen Problematik aber nichts ändern. Was wiederum daran liegt, dass der Schritt von der Stadt ins Umland, von Hamburg nach Schleswig-Holstein in vielen Fällen nur ein kleiner ist. Ob man zum Beispiel in Langenhorn oder Norderstedt, ob man in Lurup oder Schenefeld wohnt, macht geografisch kaum einen Unterschied. Hamburgs Grenzen beginnen oft willkürlich und passen nicht zum Alltag all derer, die dort wohnen. Den Norderstedtern mit der Telefonvorwahl 040 (!) liegt die Hansestadt natürlich deutlich näher als das eine knappe Autostunde entfernte Kiel. Das Gleiche gilt für die Menschen im Kreis Stormarn oder im Kreis Pinneberg oder, im Süden Hamburgs, für die Einwohner des Kreises Harburg. Hannover? Weit weg!

In der Realität sind die Ländergrenzen längst aufgehoben, ist Hamburg mehr als das Stadtgebiet und endet tief innerhalb Schleswig-Holsteins und Niedersachsens. Wenn man die politischen den tatsächlichen Strukturen anpassen würde, sähe Hamburgs Fläche ganz anders aus. Es soll an dieser Stelle nicht noch einmal die so oft geführte Diskussion über einen Nordstaat begonnen werden, weil der sowieso niemals kommen wird. Trotzdem ist und bleibt wahr, dass ein Bundesland Schleswig-Holstein mit einer Hauptstadt Hamburg nicht das Schlechteste wäre, was dem Norden passieren könnte. Weil es aber wie gesagt nicht so kommt, wird sich das große, stolze Hamburg weiter dem ungleichen Wettbewerb mit den Umlandgemeinden stellen müssen.

Dass die gern Speckgürtel genannt werden, kommt ja nicht von ungefähr: Gerade die direkt an die Stadt grenzenden Gemeinden sind oft wohlhabend, prosperierend, stark. Sie haben die Vorteile der Millionenmetropole, ohne zwingend deren Nachteile zu haben. Zwar ist die Wohnungssituation an den Rändern Hamburgs in den vergangenen Jahren auch schwieriger geworden, aber eben nicht vergleichbar mit dem Kern der Stadt. Und was die Attraktivität der Umlandgemeinden angeht, schneiden sie im direkten Vergleich nicht selten besser ab als das Gegenüber auf Hamburger Gebiet.

Einen entscheidenden, eher emotionalen Faktor gibt es bei der Frage, wo man sich niederlässt, aber doch: In Marktforschungen betonen viele Hamburger, die ins Umland gezogen sind, dass es ihnen vor allem deshalb schwergefallen sei, weil sie danach ja keine Hamburger mehr seien. Das beginne beim Nummernschild für das eigene Auto und ende bei der Antwort, die man im Urlaub auf die Frage gebe, woher man denn komme. Wobei: Wer nah genug an der Stadt lebt, sagt dann der Einfach- und Verständlichkeit wegen doch wieder: „Aus Hamburg.“

Der Stadt selber nützt das aber wenig. Sie muss aufpassen, dass ihr Wachstum nicht zu größeren Teilen an den Grenzen stattfindet und damit dort, wo nicht Hamburg, sondern Schleswig-Holstein oder Niedersachsen davon profitieren. Oder sie muss alles dafür tun, dass aus der Metropolregion Hamburg endlich mehr wird als ein Sammelbegriff. Den Lebenswirklichkeiten Zehntausender Menschen wird man mit dem jetzigen Zustand auf keinen Fall gerecht.