Zahl der Flüge steigt von Jahr zu Jahr. Anwohner müssen entlastet werden

Mal ehrlich, wie oft sind Sie im vergangenen Jahr geflogen? Einmal in den langen Sommerurlaub? Ein zweites Mal eventuell noch im Frühjahr oder Herbst? Ein drittes Mal vielleicht an einem verlängerten Wochenende in eine europäische Großstadt? Und wir sprechen hier nur von Urlaubsreisen – die in Zeiten fortschreitender Globalisierung trotz moderner Telekommunikation immer zahlreicher werdenden Dienstreisen sind noch nicht eingerechnet. Hinzu kommen all die Transportflüge für Güter, die wir einkaufen und die nicht hier produziert und mit dem Schiff oder Laster transportiert werden. Fluglärm – das sind wir alle.

In Urlaub fuhren meine Eltern mit der Bahn oder dem Auto, und das selten weiter als bis nach Österreich. Für die Generation der während des oder kurz nach dem Zweiten Weltkrieg geborenen Menschen war das völlig normal. Wie viele Flüge heute „normal“ sind oder so empfunden werden, ist eine Frage der Perspektive. Vor wenigen Jahren noch, bevor Billigfluglinien ihren eigenen Markt schufen, wäre kaum ein Hamburger ernsthaft auf die Idee gekommen, für eine Nacht nach Pisa oder Rom zu jetten.

Jetzt soll das hier kein „Früher war alles besser“-Gejammere werden. Wer aber über stetig steigende Starts und Landungen klagt, über den zunehmenden Lärm, den ein Passagierrekord nach dem anderen mit sich bringt, der sollte sich auch immer wieder klarmachen, wer schuld daran ist: wir alle, für die Fliegen etwas ebenso Normales geworden ist wie die Autofahrt für unsere Eltern. In noch nicht einmal 30 Jahren ist die Zahl der Flugbewegungen in Fuhlsbüttel von gut 100.000 auf heute mehr als 150.000 gestiegen.

Ich bin in eine Flugschneise gezogen, und ich ahnte sehr wohl, worauf ich mich einlasse: dass es laut werden dürfte. Das eint mich mit Tausenden Hamburgern, die sich bewusst für ein Leben beispielsweise in den Walddörfern, in Niendorf oder Langenhorn entschieden haben und im Wissen um den Lärm dort hingezogen sind.

Ich weiß, dass Fluglärm, obwohl man um ihn wusste, nervt – vor allem morgens, wenn die erste Maschine den Schlaf abrupt beendet. Aber ich weiß auch, wie wichtig der Flughafen für das wirtschaftliche Wohlergehen Hamburgs ist. 15.000 Jobs hängen unmittelbar am Erfolg des Airports. Hinzu kommen all die Arbeitsplätze, die mittelbar vom Standortvorteil profitieren. Unstreitig ist aber auch: Lärm ist gesundheitsgefährdend. Wer abends nicht einschlafen kann oder morgens früh hochschreckt, wer sich tagsüber nicht auf die Arbeit konzentrieren kann oder in seiner Unterhaltung immer wieder unterbrochen wird, der wird auf Dauer nicht gesund bleiben können.

Und deshalb ist es richtig, wenn die Anwohner des Flughafens immer wieder auf ihre Beeinträchtigungen aufmerksam und öffentlich Druck machen. Millionenschwere vom Flughafen finanzierte Lärmschutzprogramme zur Anschaffung geräuschmindernder Fenster oder Dächer hätte es ohne diesen Anwohnerprotest kaum gegeben. Aber solche Programme lösen den Dauerkonflikt nicht, sie verschaffen höchstens Linderung.

Die Wahrheit ist: Das Problem lässt sich nicht lösen bei einem Flughafen, der quasi in der Innenstadt liegt. Einen Neubau in der Peripherie von Kaltenkirchen, wie in den 60er-Jahren versäumt, wird es nicht mehr geben. Eine der wenigen Möglichkeiten, Fluglärm zumindest etwas zu reduzieren, ist abends um 22 Uhr in Fuhlsbüttel Schluss zu machen statt wie bisher um 23 Uhr. Das dürfte keine Airline vergraulen, keinen Arbeitsplatz gefährden. Das schadet dem Wirtschaftsstandort Hamburg nicht. Aber es bringt vielen zehntausend Hamburgern zumindest eine Stunde Ruhe mehr.

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