Die guten alten Zeiten bei der Lufthansa sind vorbei. Das Preismodell ist erst der Anfang

Noch keine 15 Monate ist Lufthansa-Chef Carsten Spohr im Amt. Doch schon jetzt hat er mehr getan, um den Konzern auf einen neuen Kurs zu bringen als manche seiner Vorgänger in ihrer kompletten Amtszeit. Denn es geht längst nicht mehr um Zukäufe wie die Übernahmen der früheren Swissair oder der Austrian Airlines. Es geht um die Frage, wie sich die Lufthansa gegen Konkurrenten wie EasyJet in Europa und Emirates auf Langstrecken künftig noch behaupten kann.

Mit dem Aufbau des Günstig-Fliegers Eurowings, der außerhalb des Konzerntarifvertrags agiert, hat Spohr der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit den Kampf angesagt. In diesem Zusammenhang ist die Vorstellung des neuen Preismodells ein kraftvolles Signal. Zwar wird die Kernmarke Lufthansa auch auf den Strecken innerhalb Europas dadurch nicht zu einem Billigflieger. Gegenüber dem bisher geltenden Tarifmodell sinkt der Einstiegspreis gerade einmal um zehn Euro, außerdem wird es Getränke und Snacks an Bord weiter kostenlos geben.

Aber die Lufthansa bricht mit dem Wechsel die alte, starre Angebotsstruktur der etablierten Traditionsfluggesellschaften mit den beiden Buchungsklassen Economy und Business auf. Die Kranich-Linie hat sich – später als British Airways und Air France – auf ein Preisschema eingelassen, das ihre Konkurrenten, die Billigflieger, längst erfolgreich in den Köpfen der Passagiere verankert haben: Der Gast zahlt nur, was er in Anspruch nehmen möchte. Auch wenn Verbraucherschützer anfangs die vermeintliche Unübersichtlichkeit dieses Preismodells beklagten, gehen die Kunden inzwischen wie selbstverständlich damit um. Je nach Lebenssituation und Reiseanlass können sie das passende Gesamtpaket für ihren Flug zusammenstellen.

Das bisherige Tarifschema dagegen stammt noch aus einer Zeit, in der Unternehmen für Dienstreisen ihrer Mitarbeiter stets Businessklasse-Tickets buchten und in der Privatpersonen eher selten das Flugzeug benutzten – und dann mit großem Gepäck unterwegs waren.

Allerdings hat die Lufthansa schon bei früheren Gelegenheiten auf den kürzeren Routen mit ihrem Tarifsystem experimentiert. So gab es im Jahr 1963 auf der Strecke zwischen Hamburg und Frankfurt das radikale Modell „Air Bus“: Die Passagiere konnten ohne Buchung einfach in die Flugzeuge einsteigen, die Tickets wurden erst an Bord verkauft. Das Gepäck war auf 15 Kilogramm begrenzt, Bordservice gab es nicht. Doch obwohl der Preis nur geringfügig über dem einer Zugfahrkarte lag, war die Auslastung zu schwach, schon nach etwa einem Jahr wurde der „Air Bus“ wieder eingestellt.

Der nächste kurzlebige Versuch hieß „Lufthansa Express“ und startete im Oktober 1992. Er sah auf innerdeutschen Routen ein vereinfachtes ­Tarifmodell mit einem Einstiegspreis von 99 Mark vor. Der damalige Konzernchef Jürgen Weber, der vor der Aufgabe stand, aus einer verlustreichen Staatslinie ein profitables Unternehmen zu machen, drohte den Gewerkschaften damit, die „Express“-Jets in eine eigenständige Billigfluggesellschaft auszulagern, und erreichte damit weitreichende Zugeständnisse bei den Tarifverträgen der Lufthansa-Gesamtbelegschaft.

Vor einer ähnlichen Herausforderung, wenn auch mit anderen Ursachen, steht nun Carsten Spohr. Er muss den Beschäftigten klarmachen, dass die „guten alten Zeiten“ nun wirklich unwiderruflich vorüber sind. Nicht nur beim Preismodell, auch bei der Kostenstruktur muss sich die Lufthansa stärker als bislang an günstigeren Wettbewerbern orientieren.

Bis Spohr das gelingt, dürfte es noch den einen oder anderen Pilotenstreik geben. Aber das war zu den ­Zeiten von Jürgen Weber nicht anders.