Phantom der Oper soll in der Roten Flora aufgeführt werden. Früheres Theater soll sarniert werden – ein überfälliger Schritt.
Es war ein ganz cleveres taktisches Manöver mit Sponti-Charakter mitten im Bürgerschaftswahlkampf, dessen Scheitern natürlich einkalkuliert war. Nachdem eine Diskussion über Flüchtlingspolitik im Januar unter anderem durch massive Beschallung vom Dach des linksautonomen Kulturzentrums Rote Flora gesprengt worden war, wollte der heutige CDU-Landeschef Roland Heintze ausgerechnet das seit 25 Jahren besetzte Gebäude für einen Diskussionsabend mieten.
Diese Nachhilfestunde in Sachen Meinungsfreiheit durch den „Klassenfeind“ lehnten die Floristen wie erwartet, wenn auch freundlich, ab. So konnte Heintze die allein regierende SPD attackieren: Schließlich hatte der Senat kurz zuvor die Rote Flora zurückgekauft und den Besetzern freie Hand zur weiteren Nutzung gelassen. „Seht her! Die Flora ist weiterhin ein rechtsfreier Raum, mit Steuergeldern bezahlt“, lautete Heintzes Wahlkampfbotschaft.
Und heute? Nur wenige Monate später scheint plötzlich nichts mehr unmöglich in dem heruntergekommenen Restbau des einstigen Varieté-Theaters. Die Floristen wollen sich zum Stadtteil hin öffnen, laden Journalisten ein, was sonst nur in wenigen Ausnahmefällen möglich war, und werden sogar ihrem Anspruch als Kulturzentrum mit einer Ausstellung gerecht. „Tag der offenen Tür“ im sonst hochgesicherten Haus, das nur nach Gesichtskontrolle zu betreten war?
Dass sich die Besetzer nun sogar in einem weiteren Sinn dem Denkmalschutz verpflichtet fühlen und die markant-marode Fassade des Rumpfbaus am Schulterblatt sanieren wollen, mutet schon beinahe wie die logische Konsequenz einer Tendenz zur Verbürgerlichung an. Wer die Geschichte der „Roten Flora“ über die Jahre verfolgt hat, hält das alles kaum für möglich.
Sicher – es gibt einen Gewöhnungseffekt, der sich auch in einem fast zärtlichen Sprachgebrauch niederschlägt: Das aus der Anonymität heraus agierende Kollektiv der Roten Flora als Floristen zu bezeichnen, klingt geradezu niedlich. Aber es gibt eben auch die andere Seite: Für den Verfassungsschutz ist das Haus im Schanzenviertel nach wie vor der Treffpunkt der gewaltbereiten linksautonomen Szene. Auch wenn Straftaten – die jüngsten Gewaltdemos liegen nicht lange zurück – nicht zu tolerieren sind, trifft der Satz von Bürgermeister Olaf Scholz dennoch uneingeschränkt zu: Eine Stadt wie Hamburg müsse ein Projekt wie die Rote Flora aushalten. Die gewaltbereite Szene lässt sich ohnehin nicht durch eine Räumung des Gebäudes aus der Welt, sprich: aus der Stadt, schaffen. Im Gegenteil: Der Solidarisierungseffekt wäre wohl beträchtlich.
Vermutlich ist der Zeitpunkt zur Öffnung der Roten Flora klug gewählt. Senat und Bezirk haben de facto eine Bestandsgarantie ausgesprochen, das Thema Räumung der besetzten Flora scheint so fern wie nie. Und: Auch wer mit den Floristen sonst wenig am Hut hat, hält den jahrelangen Einsatz einer verdeckten Ermittlerin für bedenklich, die auch beim Szene-Radiosender tätig war und Zugang zu Privatwohnungen von Aktivisten hatte. Politisch ist der Einsatz von „Iris Schneider“ bei Weitem noch nicht aufgearbeitet.
Wie immer strategisch motiviert die Ankündigung von Glasnost und Perestroika aus der Zitadelle des Widerstands gegen die „Herrschenden“ auch sein mag – wer möglichst friedliche Verhältnisse für die Rote Flora will, kann darin nur einen überfälligen Schritt zur Normalität hin sehen. Ein notwendiger zweiter Schritt ist ein Nutzungsvertrag mit der Stadt. Die Hafenstraße ist das Vorbild.