Hamburgs Wirtschaft muss den Koalitionsvertrag nicht fürchten – ganz im Gegenteil.
Die Hafenwirtschaft und die Grünen – das war bislang ein Antagonismus wie Hansi Hinterseer und Rammstein, HSV und St. Pauli oder Christian Lindner und Claudia Roth. Man gönnte dem Gegenspieler nicht einmal das Schwarze unter dem Fingernagel. Die Grünen sahen in der Hafenwirtschaft renditehungrige Betonköpfe in Blazer mit Goldknöpfen; die Wirtschaftsvertreter in den Umweltschützern naive Neinsager und Fortschrittsverweigerer.
Seit der Gründung der Umweltbewegung sind sich beide in herzlicher Ablehnung verbunden. Die Hamburger Grünen sind Kinder des Widerstands gegen die Hafenerweiterung in Altenwerder – hier liegt eine Keimzelle der Grün-Alternativen Liste (GAL). Entsprechend hafenkritisch trat die Partei stets auf. Die Ablehnung der Elbvertiefung war Dauerbrenner in jedem Wahlkampf. Daran scheiterten auch frühe Sondierungen zwischen SPD und GAL. In der ersten rot-grünen Koalition 1997 handelte die GAL eine Kürzung der Haushaltsmittel für das Amt für Strom- und Hafenbau aus, 2008 verlangten die Grünen im Bündnis mit der Union als Gegenleistung für die Elbvertiefung die Gründung der Stiftung Lebensraum Elbe, die sich aus Hafengeldern finanziert. Die Stiftung arbeitet längst, auf die Elbvertiefung wartet die Stadt weiter. Verzögert haben sie Klagen der Umweltverbände, die traditionell sehr grünennah sind.
In der aktuellen Koalitionsvereinbarung haben die Grünen für die Stiftung einen weiteren Schluck aus der Pulle herausgehandelt. Insgesamt aber ist im rot-grünen Regierungsprogramm vom einstigen Widerstand der GAL gegen den Hafen wenig geblieben.
Bürgermeister Olaf Scholz und die SPD haben die Leitplanken in der Hafenpolitik gesetzt, die Grünen sind fortan für das Begleitgrün zuständig. Und diese Aufgabenteilung soll auch nach den Verhandlungen beibehalten werden. Die Senatskanzlei hat sich ihre Richtlinienkompetenz gesichert. Der Koalitionsvertrag formuliert das etwas defensiver: Die Kanzlei koordiniert bei Hafenausbau und Elbvertiefung „die Abstimmung zwischen den Behörden“. Das Störpotenzial etwa der grünen Umweltbehörde wird so beschränkt. Für den Hafen ist das keine schlechte Nachricht.
Zugleich können aber auch die grünen Impulse, welche die Ökopartei in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt hat, mittelfristig eine Stärkung sein. Einiges wie den Nachhaltigkeitsbericht mag man für einen bürokratischen Irrsinn halten. Es ist aber noch nicht viele Jahre her, da war ökologische Schifffahrt das Steckenpferd von wenigen Interessierten in der Umweltbehörde. Heute sind viele Wünsche von einst Gesetz. Der rot-grüne Senat will nun alternative Antriebe, den Einbau von Rußfiltern oder umweltfreundliche Fahrzeuge verstärkt fördern und hier mit den anderen nordeuropäischen Häfen kooperieren. Dieses Luftreinhalteprogramm für den Hafen ist überfällig. Denn es verbessert nicht nur die Umweltsituation in den elbnahen Stadtteilen, sondern auch die Reputation des Hafens insgesamt.
Hamburgs Hafen hat stets von seiner Verankerung in der Stadt profitiert. 14 Prozent der Wertschöpfung werden hier erwirtschaftet, Berechnungen zufolge hängen 155.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt am Hafen. Gar nicht zu unterschätzen ist die emotionale Verbundenheit. Der Hafen ist für die Hansestadt identitätsstiftend, er inspiriert die Menschen, er ist Tourismusmagnet wie Stadtkulisse. Hamburgs Hafen versteckt sich eben nicht am Stadtrand hinter Lagerhallen und Metallzäunen, sondern bespielt eine spektakuläre Bühne auf der südlichen Elbseite. Und spätestens beim Bier vor der Strandperle geht Grünen und Reedern gemeinsam das Herz auf.