Rot-Grün will Hamburgs Velorouten ausbauen. Andere Metropolen sind da längst weiter.

Mehr Fahrradstraßen, mehr Radfahrstreifen, mehr Radfahrer – das ist das erklärte Ziel der Hamburger Verkehrspolitik, sollten die derzeitigen Koalitionsverhandlungen zu einem rot-grünen Senat führen. Reicht das aus? Oder ist dieses Paket, auf das sich beide Parteien schon geeinigt haben, pure Ideologie, wie die CDU bereits kritisiert und eine Verdrängung der Autofahrer herauf beschwört?

Sicher scheint, in den nächsten Jahren dürfte es zu Verteilungskämpfen in Hamburg kommen. Mehr Platz auf den Straßen gibt es nicht, die Stadt aber wächst. Und heute schon kommt es immer wieder zu brenzligen Situationen, wie vier Testfahrten von Abendblatt-Reportern zeigen. Wir wollten schauen, wie sich das Radfahrern in Hamburg darstellt und wo ein künftiger Senat ansetzen müsste.

Immerhin hat die Stadt in jüngster Zeit bereits etliches vorangebracht. Auf vielen Strecken gibt es nun die neuen Radfahrstreifen auf den Fahrbahnen. Allerdings sind sie meist nur wenige Hundert Meter lang, oft noch kürzer, und enden wieder in schmalen Radlerpisten aus Zeiten der autogerechten Stadt. Himmel und Hölle liegen für den Hamburger Radfahrer sehr nah, noch ist das ganze Radwegesystem ein einziger Flickenteppich aus alten Sünden und neuen Freuden. Und immer wieder erleben Radler, dass mancher autofahrende Zeitgenosse den Unterschied zwischen Radfahr- und Parkstreifen noch nicht verinnerlicht hat. Gefährlich wird es oft auch, wenn Pkw-Fahrer abbiegen müssen und die Streifen wie beispielsweise am Lessingtunnel in Altona kreuzen.

Auch das von den Grünen propagierte Radeln auf der Straße im Strom des allgemeinen Verkehrs ist nicht jedermanns Sache. So richtig wohl und sicher fühlt sich nicht jeder Radfahrer auf diesen Strecken. Gut gemeint ist eben nicht immer gut gemacht: Das zeigt auch die neue Fahrradstraße an der Alster. Zwar haben die Radler dort offiziell Vorrang, aber die Behörden lassen den Pkw-Durchgangsverkehr immer noch zu, weshalb sich nun nur wenige Eltern trauen, dort ihre Kinder radeln zu lassen. Schnelle Umbauten reichen eben nicht aus. Und neue Radfahrstreifen sind kein Allheilmittel, wenn sie nicht sicher genug sind.

Dennoch: Der Umbau zu einer Fahrradstadt scheint unumkehrbar. 14 Velorouten will die mögliche Koalition als spinnenförmiges Netz vom Stadtrand bis zur City ausbauen. Hinzu kommen Pläne für sieben neue Radschnellwege. Das klingt revolutionär, ist es im Vergleich zu anderen wachsenden Metropolen aber nicht.

Von zwölf auf 25 Prozent soll sich der Radverkehrsanteil in Hamburg vergrößern, in Städten wie Kopenhagen liegt er lange schon bei 40 Prozent. Dort baut man seit Jahren das Radwegenetz konsequent aus. Auch Radschnellwege gibt es dort wie in den Niederlanden längst zuhauf. Eine erste bundesdeutsche „Radautobahn“ wird derzeit auch quer durchs Ruhrgebiet geplant. Sie soll auf 101 Kilometer Länge von Duisburg nach Hamm verlaufen und täglich die Straßen um 50.000 Pkw entlasten. Längst ist die Förderung des Radverkehrs eben keine Sache mehr von vermeintlich grüner Verkehrsideologie. In London beispielsweise gibt es unter dem konservativen Bürgermeister Boris Johnson ebenfalls Radschnellwege. Und Johnson baut den Stadtverkehr jetzt noch radikaler um: Ein Superhighway für Radler soll künftig quer durch die Stadt führen, umgerechnet rund 1,3 Milliarden Euro will London jetzt in den Radverkehr investieren. Aus rein wirtschaftlichen Erwägungen, weil die zunehmende Zahl von Staus der Wirtschaft viel Geld kosten. Mehr Radwege bedeutet eben unterm Strich mehr Platz auf den Straßen, so das schlichte Kalkül.