Für den Wahlsieg von Syriza werden alle bezahlen: die Griechen und auch wir
Die Wut hat gesiegt in Griechenland. Die Wut auf die verkrusteten, korrupten Eliten, auf die EU mit ihrem Kurs von Zuckerbrot und Peitsche; vielleicht auch auf das eigene Versagen. Etwas Neues muss her – koste es politisch und ökonomisch, was es wolle. Die neue Macht in Athen heißt Syriza.
Seit dem Sturz der Militärjunta 1974 hatte sich die politische Klasse Griechenlands in zwei Parteien organisiert: der linken Pasok und der konservativen Nea Demokratia, die abwechselnd die Urheimat der Demokratie regierten. Sie waren der Kern eines korrupten Systems, gekennzeichnet durch Vetternwirtschaft, Steuerverweigerung und das Fakelaki-System, bei dem vom Staatsdiener bis zum Klempner nur wenige ohne vorheriges Schmieren mit Geldbriefen tätig wurden. Das von schwerreichen Oligarchen ferngesteuerte System, bei dem ein Millionenheer von Mitläufern mit lukrativen Ämtern, Posten und Aufträgen versehen wurde, hörte auf zu funktionieren, als die Krise Griechenland mit verheerender Wucht traf und die Staatsausgaben drastisch gekürzt wurden. Für Europa rächte sich nun, dass man aus strategischen Gründen nicht genau hingesehen hatte, als sich Athen mit dreist frisierten Bilanzen in den Euro-Club mogelte.
Das politische Programm des Wahlsiegers Syriza, dessen Führer Tsipras eine kommunistische und anarchistische Vergangenheit aufweist, muss auf Marktwirtschaftler wie das Zeigen von Folterinstrumenten wirken: Verstaatlichung von Banken, Flughäfen, Eisenbahn, Wasser, Post und anderen Dienstleistern, sogar der Privatkliniken. 75 Prozent Steuerquote für hohe Einkommen, Wiedereinstellung von 10.000 Staatsbediensteten. Das Streikrecht soll ausgeweitet, lokale Tarifabschlüsse verboten und der Mindestlohn massiv erhöht werden. Es ist das Rezept für ein Desaster.
Doch auch bezüglich dieses irrwitzigen Katalogs gilt das Gleiche wie für Tsipras’ Forderungen nach einem Ende des von der EU auferlegten Reformkurses und einem radikalen Schuldenschnitt. Es ist die Frage, wie weit der realpolitische Handlungsspielraum der neuen griechischen Linksregierung tatsächlich reicht. Tsipras’ innenpolitisches Programm ist gar nicht zu bezahlen.
Und seine außenpolitischen Forderungen haben den Nachteil, dass er in Europa dafür kaum gewichtige Partner hat und dass einem derartigen Schuldenschnitt rechtliche Hürden entgegenstehen. Die Option indes, den Euro zu verlassen, besteht gegenwärtig weder für Athen noch für Brüssel. Griechenland würde mit einer nahezu wertlosen Drachme endgültig in den Abgrund stürzen, und die Bundesregierung müsste dem Steuerzahler erklären, warum der deutsche Anteil von 53 Milliarden Euro an der 240 Milliarden Euro schweren Hilfsleistung wohl abgeschrieben werden müsste.
Alexis Tsipras hat in jüngster Zeit etwas mildere Positionen erkennen lassen. Es ist also nicht völlig ausgeschlossen, dass es am Ende zu einem Kompromiss kommt. Auf die EU und damit auch auf Deutschland könnten allerdings in jedem Fall hohe Kosten zukommen – aber das ist der Preis, den die EU für fundamentale Fehler beim Erschaffen des Euro-Systems zu zahlen hat.
Das wirkliche Titanenwerk wartet auf die neue Regierung jedoch in der Innenpolitik: Es gilt, das alles lähmende Netzwerk aus Korruption zu entflechten, Steuergerechtigkeit herzustellen, die Wirtschaft zu stimulieren und die Herrschaft der Oligarchen zu brechen.
Griechenland benötigt dringend einen Neuanfang. Doch es ist eine Tragik, dass der Einzige, der ihn ernsthaft wagen will, ausgerechnet ein Mann mit einem Programm ist, das gewaltige Risiken für Griechenland und erhebliche auch für die ganze EU bereithält.