Absolute Mehrheit erscheint nach Parlamentswahl möglich. Sorge in der Euro-Zone
Athen. Die linke Syriza-Partei ist klare Siegerin der Parlamentswahl in Griechenland. Ob sie mit absoluter Mehrheit allein regieren kann, blieb zunächst aber offen. Amtlichen Hochrechnungen vom Sonntagabend zufolge kommt sie auf 149 bis 151 der 300 Sitze im Parlament. Die Wähler sprachen sich damit klar für den Kurs von Syriza-Chef Alexis Tsipras aus. Er will das von Europäischer Union, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds mit 240 Milliarden Euro vor der Pleite gerettete Land zwar in der Euro-Zone halten. Bereits vereinbarte Reform-Auflagen lehnt er aber ab und fordert einen Schuldenschnitt.
An den Finanzmärkten gibt es deshalb seit Wochen die Sorge vor neuen Turbulenzen. Der Euro gab im australisch-asiatischen Handel nach Bekanntgabe erster Prognosen prompt um einen halben Cent nach und fiel unter die Marke von 1,12 Dollar. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sagte in einer ersten Reaktion in der ARD, Griechenland sei nach wie vor auf Hilfen seiner Partner angewiesen. „Und das heißt natürlich auch, dass es ein solches Programm nur geben kann, wenn die Verabredungen auch eingehalten werden.“
Die Finanzminister der Euro-Zone werden am heutigen Montag in Brüssel beraten, welche Folgen das Wahlergebnis für die Euro-Zone und die Europäische Union (EU) hat. Beschlüsse werden aber noch nicht erwartet.
Syriza kommt den Hochrechnungen zufolge auf rund 36 Prozent der Stimmen. Nach dem griechischen Wahlsystem erhält sie damit als stärkste Partei zusätzlich 50 Sitze im Parlament. Damit soll eine stabile Mehrheit gesichert werden. Entscheidend für die Sitzverteilung ist auch, wie viele Parteien insgesamt die Dreiprozenthürde überspringen und ins Parlament kommen. Kommt Syriza nicht auf mindestens 151 Mandate, müsste sie sich einen Koalitionspartner suchen oder eine Minderheitsregierung bilden. Der griechische Regierungschef Antonis Samaras gratulierte dem Wahlsieger Alexis Tsipras am Sonntagabend telefonisch und gestand seine eigene Niederlage ein. Dies teilte die konservative Partei Neue Demokratie von Samaras mit.
Die bisherige Regierungspartei kommt nach den Hochrechnungen auf rund 28 Prozent. Der Vorsprung von Syriza wäre damit noch größer, als letzte Umfragen vor der Wahl erwarten ließen. Drittstärkste Partei wurde die rechtsextreme Goldene Morgenröte, gefolgt von der zentristischen Partei To Potami (Der Fluss) und der kommunistischen KKE. Insgesamt dürften sieben Parteien den Einzug ins Parlament geschafft haben. Die vom früheren Ministerpräsidenten George Papandreou gegründete Bewegung der demokratischen Sozialisten scheiterte an der Dreiprozenthürde. Die Wahlbeteiligung lag dem griechischen Innenministerium zufolge bei rund 62 Prozent.
Die griechischen Wähler haben mit ihrem Votum offenkundig die von den Geldgebern EU, EZB und IWF verordnete bittere Medizin abgelehnt, die das Land aus den Schulden führen sollte, aber auch rund ein Viertel der Bevölkerung in Armut brachte. „Wir haben heute Geschichte geschrieben“, sagte Tsipras vor Tausenden jubelnden Wählern seiner Partei in Athen. Zugleich signalisierte er seine Bereitschaft, über die Lösung des Problems des griechischen Schuldenberges zu verhandeln.
Die Opposition im Bundestag plädierte für eine neue Politik gegenüber Griechenland, um das Land nach einer jahrelangen harten Sparpolitik wirtschaftlich zu entlasten. Der Fraktionschef der Grünen, Anton Hofreiter, sprach sich nach dem Wahlsieg des linken Syriza-Bündnisses für einen Schuldenschnitt in Griechenland aus. „Wir setzen uns für sozial gerechte Änderungen bei dem Anpassungsprogramm und einen konditionierten Schuldenschnitt im Gegenzug für soziale und wirtschaftliche Reformen in Griechenland ein“, sagte Hofreiter der „Rheinischen Post“. Gemeinsam mit der neuen griechischen Regierung sollten EU und Bundesregierung nach Wegen suchen, den Menschen in Griechenland wieder eine Perspektive zu geben.
Die Linken-Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger erklärten, Syrizas Erfolg sei ein Hoffnungszeichen für einen Neuanfang in Europa. „Jetzt hoffen wir gemeinsam mit den vielen Menschen in Griechenland, die jahrelang gegen die unsoziale Kürzungspolitik protestiert (...) haben, dass eine von Syriza geführte Regierung eine Alternative zum sozialen und wirtschaftlichen Kahlschlag durchsetzen kann.“ Die von der Bundesregierung maßgeblich geprägte Politik der Troika sei gescheitert.
Vor allem die strenge deutsche Sparpolitik hatte die politische Debatte in Griechenland jahrelang polarisiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde von den linken Parteien und den Gewerkschaften in dem hoch verschuldeten Land für die hohe Arbeitslosigkeit und den wirtschaftlichen Absturz vieler Menschen mitverantwortlich gemacht. Allerdings zog die griechische Politik in den vergangenen Jahren angesichts vieler Krisengipfel und Stützungen letztlich doch immer mit der EU und den Staaten der Euro-Zone an einem Strang, um aus der wirtschaftlichen Misere herauszufinden – zumindest galt dieser Pragmatismus bis zum gestrigen Wahlsonntag.