Bei der Bebauung der Gleisanlagen kann Hamburg zeigen, wie man kleinteilig Großes schafft.
Beide ließen die Fotografen einige Minuten warten, dann standen sie im Blitzlichtfeuer. Bahnchef Rüdiger Grube und Bürgermeister Olaf Scholz zelebrierten am Freitag im edlen Phönixsaal des Rathauses die Unterzeichnung ihres Vertrages und tauschten dabei vor Publikum die silbern eingeschlagenen Dokumente aus. Zwar sind die Details zu dem Deal seit Sommer bekannt: Die Bahn verlegt den Bahnhof Altona nach Diebsteich, die Stadt kauft für 38,8 Millionen Euro das dann nicht mehr benötigte Gleisvorland und vollendet dort die Neue Mitte Altona.
Doch die Bedeutung dieses Vertrages rechtfertigt schon das große Spiel mit der Symbolik: Denn mit dem zweiten Abschnitt dieses neuen Wohngebiets hat Hamburg jetzt ganz andere Möglichkeiten als im ersten, wo die Bauarbeiten bereits begonnen haben.
Dort hatten sich lange zuvor schon Investoren das Areal gesichert. Nur mit einem komplizierten Planverfahren und langen Verhandlungen konnte Hamburg schließlich seine Vorstellungen dort durchsetzen. Die Unternehmen übernehmen die Kosten für Straßen, Parks und andere Erschließung – dafür wurde das frühere Güterbahngelände in Bauland umgewandelt. Zudem verpflichteten sich die Eigentümer, auch Sozialwohnungen zu bauen und Baugemeinschaften Flächen anzubieten. Diese Zugeständnisse hatten aber offensichtlich einen hohen Preis, auch im wörtlichen Sinne. Die Stadtplaner im Rathaus Altona, ein beteiligtes Bürgergremium und manche Politiker bemängeln angesichts der ersten Architekten-Wettbewerbe, dass die geplante Bebauung im ersten Abschnitt der Neuen Mitte doch sehr eng und hoch werden würde. Man darf dort also offensichtlich dichter bauen als anderswo.
Mit dem zweiten Abschnitt bietet sich nun eine spannende Chance. Mitten in einer der begehrtesten Wohnlagen der Stadt kauft die Stadt nun selbst eine riesige Fläche für den Wohnungsbau. Und damit hat sie es in der Hand, in einem überhitzten Markt einzugreifen. Gerade in Altona klettern wegen der großen Nachfrage und der knappen Grundstücke die Mietpreise, die dort traditionell agierende Genossenschaft Altoba verzeichnet beispielsweise 16.000 Interessenten auf ihrer Warteliste, kann aber jährlich nur etwa 60 Wohnungen neu bauen!
Im jetzt möglich gewordenen zweiten Abschnitt der Neuen Mitte braucht Hamburg nun keine Kompromisse mehr mit anderen Eigentümern einzugehen. Und diese Möglichkeit sollte genutzt werden, um auf den heutigen Gleisanlagen einen möglichst vielfältigen Stadtteil zu bauen: Das würde bedeuten, dass die späteren Baugrundstücke nicht in großen Paketen, sondern möglichst kleinteilig verkauft werden. Die heute schon praktizierte Konzeptausschreibung müsste dann noch stärker zum Zuge kommen.
Nicht das höchste Gebot sollte den Zuschlag bekommen, sondern die beste Idee für günstigen und fantasievollen Wohnungsbau. Warum etwa sollte man nicht beispielsweise Baugemeinschaften mit subventionierten Grundstücken unterstützen? Ganz nebenbei würde sich eine solche Unterstützung dämpfend auf die Preisspirale auswirken.
Die HafenCity zeigt dabei, wie es gehen kann – und wie nicht: Im ersten westlichen und im neueren östlichen Abschnitt verkauft die städtische HafenCity GmbH das alte Hafenareal Baufeld für Baufeld, was sich bisher als recht erfolgreiches und robustes Konzept zur Entwicklung eines neuen Stadtteil gezeigt hat. In der Mitte aber hatte Hamburg ein gesamtes Quartier einem einzigen Konsortium verkauft. Mit der Folge, dass es in der Finanzkrise schiefgegangen ist – und ein riesiges Areal dort seit 2010 brach liegt und erst jetzt mit einem neuen Investor einen Neustart erfahren soll. Großes kleinteilig zu planen – das scheint eben einfach die bessere Lösung zu sein.