Die Zuwanderung klappt besser als gedacht. Aber ein Selbstläufer ist sie nicht
Mit Studien ist das so eine Sache. Das Datenmaterial ist oft so umfangreich, dass jeder hineindeuteln kann, was er gerne hätte. Wie soll Winston Churchill schon gesagt haben: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Anfang September etwa stellte in Berlin die „Antidiskriminierungsstelle des Bundes“ eine Studie zum Antiziganismus vor. Sie schlug Alarm und rechnete vor, wie viele Deutsche Vorbehalte gegenüber Roma und Sinti hegen. Erst eine Recherche des „Spiegels“ zeigte, dass das Material offenbar öffentlichkeitswirksam dramatisiert worden war. Verwundern darf das nicht – Diskriminierung ist quasi die Geschäftsgrundlage jeder Antidiskriminierungsstelle.
Umso positiver ist zu vermelden, dass die Sozialbehörde ihre Studie der Universität Hamburg „Zusammenleben in Hamburg“ nüchtern und ohne große Dramatisierungen vorgestellt hat. Die Ergebnisse hätten auch kaum dazu getaugt. Denn die Lage ist besser, als sie oft dargestellt wird.
Weder sind die Zuwanderer so schlecht integriert, wie rechte Rattenfänger glauben machen wollen, noch sind die Einheimischen böse Rassisten, wie einige Linke nicht müde werden zu behaupten. Ein paar Zahlen gefällig? 99 Prozent der Deutschen fühlen sich in Hamburg wohl, 98 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund. 90 Prozent der Deutschen sagen, Einheimische und Zuwanderer kommen (eher) gut miteinander aus, bei Hamburgern mit Migrationshintergrund sind es sogar 91 Prozent. 70 Prozent der Deutschen halten die Gesellschaft für offen und integrativ, bei den Zuwanderern sind es sogar 79 Prozent. Die so oft eingeforderte Willkommenskultur scheint in Hamburg längst Realität zu sein. Allein diese Feststellung tut gut in einer hitzigen öffentlichen Debatte.
Zugleich wird deutlich, dass Integration kein punktuelles Ziel, sondern ein fließender Prozess ist, der keinen klaren Endpunkt hat. Und Integration ist keine einseitige Angelegenheit für Zuwanderer, sondern eine beidseitige Aufgabe für die ganze Gesellschaft. Hier gibt es Verbesserungsbedarf. Viele Migranten fühlen sich der Studie zufolge in Behörden, bei Bewerbungen oder der Wohnungssuche diskriminiert. Dabei können schon nett gemeinte Fragen nach der Herkunft oder Lob für die Deutschkenntnisse kontraproduktiv wirken – denn sie reduzieren auch Menschen, die hier seit Jahrzehnten leben, immer wieder auf ihr Fremdsein. Es gibt eine Verkrampfung im Umgang mit Zuwanderung, die sich erst langsam löst.
Zur Entspannung trägt übrigens bei, dass die Deutschen selbst mit ihrer Tradition und Herkunft heute unverkrampfter umgehen. Nur wer sich selbst annimmt, kann andere annehmen. Nur ein Land, das sich selbst zu schätzen gelernt hat, werden auch andere schätzen lernen. Und nur wer seine Werte lebt, wird sie bei anderen einfordern können. Denn noch etwas zeigt die Studie: Vorbehalte gegen Sinti und Roma sind bei Deutschen verbreitet, bei Zuwanderern aber noch frappierender. Auch Juden oder Homosexuelle werden negativer eingeschätzt. Und Zuwanderer sehen Migration kritischer: 19 Prozent der Deutschen sind der Meinung, es lebten zu viele Türken in Deutschland. Doppelt so viele Migranten stimmen dieser These zu.
Dies mag ein Schlaglicht auf die besondere Lebenssituation von Zuwanderern werfen – sie konkurrieren oftmals untereinander um die gleichen Jobs oder Wohnungen, leiden aber zugleich besonders unter dem wachsenden Argwohn angesichts steigender Flüchtlingszahlen. Den naiven Predigern offener Grenzen sollte das Hinweis genug sein: Ein Laisser-faire nützt weder der Integration noch den Immigranten. Zugleich dürfen auch die Verfechter einer rigiden Einwanderungspolitik aus den Zahlen lernen. Zuwanderung, vernünftig organisiert und großzügig reguliert, nützt allen.