Denkanstöße zum Wissenschaftsstandort Hamburg sollten ernst genommen werden
Vor einem halben Jahr haben Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD), Ex-Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) und der frühere Stadtentwicklungssenator Willfried Maier (Grüne) ihr vehementes Plädoyer für die Entwicklung Hamburgs zur Wissenschaftsmetropole vorgelegt. Das vierseitige Thesenpapier, das vor Generalisierungen nicht zurückschreckt, um schnell Abstraktionshöhe zu gewinnen und Denkanstöße zu liefern, hat zwar eine muntere Debatte unter (Fach-)Politikern und Akademikern ausgelöst. In der Sache hat sich jedoch praktisch nichts bewegt.
Es spricht für die Ernsthaftigkeit des Engagements, dass das parteiübergreifende Trio nun nachlegt und sich mit dem mageren Ergebnis, das der flammende Appell bislang gezeitigt hat, nicht zufriedengeben will. Allerdings: Die Aussichten, dass die drei doch noch zu einem durchschlagenden Erfolg kommen, sind eher trübe. Bislang ist kein politischer Wille erkennbar, dem Thema Wissenschaftsstandort Hamburg eine deutlich höhere Priorität einzuräumen. Und auch die großen Unternehmen, auf deren Forschungsabteilungen als Bestandteil einer Zukunftsstrategie Dohnanyi, Peiner und Maier so viel Wert legen, haben sich zurückgehalten.
Warum ist das so? Drei Gründe: Die früheren Spitzenpolitiker liefern erstens eine schonungslose und in der Verkürzung zum Teil auch polemische Analyse zur Lage Hamburgs, die den Adressaten offensichtlich schon zu viel ist. So leiten Dohnanyi, Peiner und Maier ihre Forderung nach einer Wissenschaftsmetropole Hamburg aus dem fortschreitenden Bedeutungsverlust der Stadt im nationalen und internationalen Maßstab her. Hamburg muss sich in Teilen neu erfinden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das ist die Botschaft der Politik-Pensionäre. Und genau das mag in der Stadt wohl niemand gern hören.
Zweitens gehen die Autoren mit der real existierenden Hochschullandschaft hart ins Gericht. Hamburg spiele „nur noch in der zweiten Liga“. Allen voran Uni-Präsident Dieter Lenzen hat die Kritik wenig souverän quasi als persönliche Beleidigung aufgefasst und gebärdet sich nun beinahe als akademischer Haudrauf.
Dabei wäre es klug, sich genau andersherum zu verhalten: Die Hochschulpräsidenten müssten den Appell „In Sorge um Hamburg“ als Chance begreifen, den Stellenwert ihrer Einrichtungen in der aktuellen Senatspolitik wie auch perspektivisch zu steigern. Es ist doch wahr, dass die Wissenschaft beim SPD-Senat keine hohe Priorität genießt. Die Sozialdemokraten investieren in erheblichem Umfang in Kitas und Schulen, während die Hochschulen zwar finanzielle Planungssicherheit haben, aber auf vergleichsweise niedrigem Niveau.
Drittens: Wenn Dohnanyi jetzt sagt, es gehe ihm und seinen Mitstreitern nicht um Kritik am Senat, so ist das nicht ehrlich. Schon dass der Name von Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt in dem Thesenpapier kein einziges Mal auftaucht, spricht Bände. Dass Dohnanyi, Peiner und Maier dann auch noch Bürgermeister Olaf Scholz auffordern, das Thema „Wissenschaftsmetropole Hamburg“ zur Chefsache zu machen, offenbart, was sie von Stapelfeldt halten: wenig. Stapelfeldts Bereitschaft und die der gesamten SPD, den Vorstoß der drei konstruktiv aufzugreifen, hat das nicht erhöht. Es war ein taktischer Fehler des Trios, so vorzugehen.
Doch das kann nichts an der Einschätzung ändern, dass die Denkanstöße des Altbürgermeisters und der beiden Ex-Senatoren es verdienen, im Rathaus endlich ernst genommen zu werden. Wer immer den Stadtstaat nach dem 15. Februar 2015 regiert, tut gut daran, dem einzigen konkreten Vorschlag der drei zu folgen: eine international besetzte, parteiübergreifende Kommission einzurichten, die eine Langfriststrategie für die Wissenschaft in Hamburg entwickelt.