Hochqualifizierte aus neuen EU-Ländern werden gebraucht. Doch Themen wie Armutsmigration und Sozialmissbrauch heizen die Diskussion um die Zuwanderung an.
Wie die politische Diskussion der vergangenen Monate nur zu deutlich zeigt, ist die Zuwanderung ein heikles Thema. Armutsmigration, Sozialmissbrauch, Hartz-IV-Tourismus – so lauten die Stichworte. Nur: Belege dafür, dass solche Phänomene tatsächlich ein bedenkliches Maß erreichen, können in der Regel nicht geliefert werden.
Die Realität sieht nach Auffassung von Experten anders aus: Die Menschen kommen nicht dorthin, wo sie die großzügigste staatliche Unterstützung vermuten, sondern dorthin, wo es Jobs gibt. So sind Osteuropäer bis zur Wirtschaftskrise der Jahre 2008/2009 in großem Umfang nach Spanien ausgewandert. Erst seitdem die südeuropäischen Staaten in der Krise stecken, ist Deutschland als Zielland wesentlich beliebter geworden.
Gleichzeitig ist jedoch der Faktor Demografie seit einigen Jahren stärker ins Blickfeld gerückt. Eines ist klar: Das früher nicht nur an Stammtischen gern vorgebrachte Argument „Das Boot ist voll“ zieht künftig immer weniger. Nach Prognosen des Statistischen Bundesamtes wird die Bevölkerung in Deutschland bis zum Jahr 2060 um bis zu 17 Millionen Menschen zurückgehen. Anders als zum Beispiel in Kanada, in den USA oder in Australien ist man in Deutschland nicht seit langer Zeit daran gewöhnt, die Zuwanderung auch unter dem Aspekt des Arbeitskräftebedarfs zu sehen – und zu steuern. Hinzu kommt, dass ein erster Versuch in dieser Richtung nicht gerade überzeugend ausfiel: Die von August 2000 bis Ende 2004 ausgegebene „Green Card“, mit der man dringend gesuchte Computerexperten zum Beispiel aus Indien ins Land holen wollte, erfüllte die Erwartungen nicht. Die umworbenen Spezialisten gingen lieber in die USA.
Sinnvoller wäre es, die EU-Erweiterung gezielt zu nutzen. Auch in den neuen Mitgliedstaaten gibt es sehr gut ausgebildete junge Menschen. Noch immer aber steht in Deutschland manches einer verstärkten Mobilität – auch innerhalb des Landes – entgegen. Dazu zählen die aufgeblähte Bürokratie und der nicht nur für Ausländer schwer verständliche Föderalismus in der Bildungspolitik mit unterschiedlichen Schulsystemen je nach Bundesland.