Der Senat hat ein überzeugendes Konzept vorgelegt. Nun hängt alles von den Bürgern ab.
Es war kurz nach elf Uhr im Saal 151 des Rathauses, da gelang Olaf Scholz ein kleines Kunststück. Der Bürgermeister, der mit seiner technokratisch-drögen Art nicht mehr in den Rhetorik-Olymp einziehen wird, sprach von Olympia – und tat es mit einer Mischung aus Begeisterung und Überzeugung, die mitriss. Zusammen mit Handelskammer und Sportbund präsentierte der Senat ein Programm von Olympia, das Hand und Fuß hat – vor allem aber viel Herz und Verstand. „Wir sind bereit“, sagte Scholz.
Das Feuer für Olympia, es brennt wieder in Hamburg.
Das Senatskonzept beschränkt sich nicht auf die pure Lust am Weltereignis. Es geht weiter und bezieht das Unbehagen über die Gigantomanie und die Kritik an einem Sportevent mit ein, das sich zuletzt von dem Grundgedanken der olympischen Idee marathonweit entfernt hatte. Hamburg will nicht für drei Wochen Schauplatz eines Wanderzirkusses sein, sondern nachhaltige Spiele der kurzen Wege. Hamburg verspricht nicht weniger als ein Sportfest in und mit der ganzen Stadt, es werden Spiele am Wasser. Ein Großteil der Veranstaltungen ist fußläufig erreichbar: Beachvolleyball auf Entenwerder, Tennis am Rothenbaum, Hockey am Millerntor. Selbst Rathausmarkt und Alster würden zu Freiluft-Stadien für Marathon und Triathlon. Viele Sportanlagen bestehen längst.
Die Fehler, die in Peking oder Athen gemacht wurden, wollen die Organisatoren an der Elbe nicht wiederholen, leere Olympiaruinen am Rande der Stadt wird es nicht geben. Die wenigen neuen Sportstadien und Gebäude werden in Hamburg gleich für ihre Nutzung nach 2024 oder 2028 konzipiert. Wettkampfhallen werden zum Kreuzfahrtterminal, das Schwimmzentrum zum Stadtteilschwimmbad. Möglicherweise ließe sich sogar das Olympiastadion später als Spielstätte des HSV weiter nutzen – vorausgesetzt, der Verein spielt dann noch erstklassig.
Eingebettet ist der Plan von Olympia in eine durchdachte Weiterentwicklung der Stadt und ihrer Infrastruktur. Der Sprung über die Elbe würde mit dem olympischen Dorf auf dem Kleinen Grasbrook endgültig Wirklichkeit – wie ein Scharnier liegt die Elbinsel zwischen der HafenCity und Wilhelmsburg. Zudem ließen sich mit den Spielen Infrastrukturprojekte umsetzen, die ohne Olympia nur Träumerei blieben. Zum einen sind Großinvestitionen Kern des Konzepts, zum anderen würde die Hansestadt bei der Verteilung der Bundesgelder für Verkehrsinvestitionen in die Poleposition wechseln. Somit relativieren sich auch die hohen Kosten, die mit der Olympiabewerbung verbunden sind.
Der Senat hat viele Kritikpunkte, die seit Wochen von Olympiagegnern zu Recht benannt werden, in sein Konzept einbezogen. Es sollen ökologische, nachhaltige, sozial verträgliche Spiele werden. 20.000 Olympia-Räder machen die Menschen mobil, das olympische Dorf bleibt autofrei, selbst hier gilt der Drittelmix – ein Teil der Wohnungen werden Sozialwohnungen.
Die Politik hat geliefert. Und wenn sie nicht in alte Verhaltensmuster hanseatischer Hochnäsigkeit zurückfällt, hat Hamburg gute Chancen, sich gegen Berlin durchzusetzen. Während Scholz sich höflich zu den Chancen der Hauptstadt ausschwieg, gab sich Berlins Regierungschef schnodderig: International habe man mit Berlin viel bessere Chancen als mit „irgendeiner anderen Stadt“. Abgerechnet, lieber Klaus Wowereit, wird zum Schluss.
Der größte Unsicherheitsfaktor in den olympischen Planungen ist ohnehin das für Mai geplante Referendum in Hamburg. Dann dürfen die Bürger entscheiden, ob sie die Spiele wagen wollen oder lieber verzagt am Spielfeldrand zurückbleiben. Am Ende hängt es von jedem Hamburger ab, ob die Stadt „Feuer und Flamme“ ist oder der Funke für immer erlischt.