Der inzwischen 76-jährige rettet wohl die Monarchie in seinem Land – indem er dem Thron entsagt. Damit verhilft er womöglich der Bourbonen-Monarchie zu neuem Leben.
Es gibt Momente, in denen ein Einzelner mit Zaudern oder entschlossenem Verhalten das Schicksal ganzer Völker entscheiden kann. Poeten sprechen vom Mantel der Geschichte, den tatkräftige Menschen ergreifen können, wenn er vorbeiweht. In der jüngeren spanischen Geschichte ist eine derartige Sternstunde unter dem Code 23-F bekannt. Am 23. Februar 1981 war es der junge König Juan Carlos, der mit einer flammenden Rede einen Militärputsch beendete und die knospende Demokratie Spaniens rettete. Dies ist umso bemerkenswerter, als Juan Carlos der politische Ziehsohn des 1975 verstorbenen faschistischen Diktators, des Caudillo Franco, war.
Und nun rettet der inzwischen 76-jährige und gesundheitlich wie politisch angeschlagene Juan Carlos wohl die Monarchie in seinem Land – indem er dem Thron entsagt. Der Mantel der Geschichte ist ihm längst aus den Händen geglitten. Zu belastend waren seine diversen Verfehlungen geworden, ob es seine amourösen Affären waren oder die für sein Ansehen desaströse Elefantenjagd in Botswana 2012. Dass ein Monarch und oberster Tierschützer seines Landes mitten in der verheerenden Finanzkrise eine kostspielige Safari unternimmt, Elefanten abknallt, im Privatjet ausgeflogen wird – und dies alles in Begleitung einer ihm nicht angetrauten Prinzessin –, schmälerte das Ansehen des Königs samt der Bourbonen-Monarchie in gefährlicher Weise. Für die meisten der zwölf Monarchien in Europa liegt ihre Bedeutung vorrangig darin, einen Bindungs- und Identifikationskern für ihre Völker zu liefern. Aus kühler, pragmatisch-republikanischer Sicht betrachtet, sind Monarchien entbehrlich und teuer. So wäre es unsinnig, in Deutschland eine Monarchie wiedereinzuführen, weil unsere politischen Traditionen und Strukturen inzwischen rein republikanisch sind. Doch es wäre ebenso ein Fehler, etwa in den Niederlanden, in Schweden oder Großbritannien die Throne zu stürzen. Diese Völker scharen sich mehrheitlich um ihre Könige. Der politisch wertvolle Effekt sollte nicht unterschätzt werden. Dies funktioniert allerdings nur, wenn die jeweiligen Monarchien mit ihrem Verhalten eine Vorbildfunktion ausüben. Der britischen Königin, gewiss auch der schwedischen, gelingt dies vollendet. Die zuletzt etwas fleckige spanische Monarchie erhält durch den Thronwechsel die ersehnte Auffrischung. Kronprinz Felipe ist ebenso skandalfrei wie gut ausgebildet. In Spanien, wie auch in anderen Monarchien, kommt überdies nun eine Bürgerliche auf den Thron – mit der Kommunikationswissenschaftlerin Letizia, Tochter eines Journalisten und einer Krankenschwester. Wie schon in Dänemark oder Schweden mildert dies den zwangsläufig elitären Charakter von Königshäusern und befördert die Identifikation im Volk.
Das Gesamtbudget der spanischen Königsfamilie beträgt dieses Jahr übrigens 7,8 Millionen Euro. Das ist viel Geld, doch in staatlichen Zusammenhängen finden derartige Summen sonst kaum eine Erwähnung. Etablierte, gut funktionierende Monarchien liefern keineswegs nur Stoffe für Wartezimmer-Journalismus. Die Beschäftigung von Millionen Bundesbürgern mit dem Wohl und Wehe der europäischen Monarchien ist ein Indiz für die oft maschinenhafte Leidenschaftslosigkeit unseres Staatswesens. Würde ein deutsches Regierungsmitglied so tollpatschig durch Affären stolpern wie der schwedische König oder so gnadenlos politisch unkorrekte Sätze von sich geben wie der britische Prinzgemahl Philip – wir wären vermutlich entrüstet, nicht aber angenehm amüsiert. Königshäuser liefern die Folie für royal-romantische Sehnsüchte. Wenn die spanischen Linken nun ein Referendum über „Monarchie oder Demokratie“ fordern, ist dies eine grobe Irreführung. Spanien ist beides. Und es gibt zurzeit keinen zwingenden Grund, dies zu ändern.