Hamburger Bündnis macht gegen Waffenexporte über den Hafen mobil. Nach den USA und Russland ist Deutschland der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt.
Es sind Zahlen, mit denen sich keiner gern schmückt. Und deswegen wird gemauert, verschwiegen, vertuscht. Nach den USA und Russland ist Deutschland der drittgrößte Rüstungsexporteur auf der Welt. Der Wert aller genehmigten Rüstungsexporte in Deutschland lag im Jahr 2012 bei knapp neun Milliarden Euro. Und Hamburg fungiert mit seinem Hafen als Drehscheibe für die explosive Ware. In jedem Monat werden im Hamburger Hafen mehr als 1000 Tonnen Munition umgeschlagen.
Die meisten dieser Bombengeschäfte, die in den Krisengebieten der Welt den Tod bringen, sind völlig legal. Genehmigt vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn oder vom Bundeswirtschaftsministerium. Über die heikelsten Exporte entscheidet mit dem Bundessicherheitsrat ein neunköpfiges Gremium mit Kanzlerin Angela Merkel an der Spitze – unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Manchmal gelingt dem Zoll ein brisanter Fund. Im vergangenen Herbst stellten die Hamburger Beamten eine Rüstungslieferung sicher, die auf dem Landweg von Polen über den Hafen nach Ägypten gehen sollte. Nach einer Eskalation der Gewalt hatten die EU-Außenminister beschlossen, dass aus Europa vorerst keine Waffen mehr an den Nil geliefert werden dürfen. Ein halbes Jahr (!) später gibt es, trotz hartnäckiger Nachfragen, von den zuständigen Behörden immer noch keine genaue Auskunft darüber, wann die Waren sichergestellt worden sind, um wie viele Container und um welche Waffen es sich konkret handelt.
Doch langsam bekommt die Mauer des Schweigens erste Risse. „Die strikte Geheimhaltung ist die Angst vor der Öffentlichkeit“, hat Altkanzler Helmut Schmidt zum Export deutscher Panzer nach Saudi-Arabien gesagt und mehr Transparenz bei deutschen Rüstungsexporten gefordert.
Auch Bundestags-Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn (SPD) fordert im Abendblatt eine frühzeitigere und umfassendere Information über geplante Rüstungsexporte durch die Regierung. Die Grünen haben den Hamburger Senat aufgefordert, eine Bundesratsinitiative einzubringen, die sich für ein restriktives Rüstungsexportgesetz einsetzt, das etwa die Lizenzabgabe für Kriegswaffen an Drittstaaten verbietet. Und die Linkspartei fordert vom Senat einen monatlichen Bericht über alle Waffenexporte, die über den Hafen gehen.
Anfang des Jahres hat sich in dieser Stadt ein „Hamburger Bündnis gegen Waffenexporte“ gegründet. Es will den täglichen Export von Gewalt über den Hafen bekannt machen und nicht mehr einfach hinnehmen. Die Initiatoren um Hauptpastor Christoph Störmer kommen aus Kirche und Wirtschaft, Politik, Kultur und Universität. Es sind Menschen dabei wie Professor Wolfram Weiße, der Direktor der Akademie der Weltreligionen, die sich nicht damit abfinden wollen, dass Hamburg das Tor zum Tod in der Welt ist. Menschen wie der Reeder Peter Krämer, die nicht aufhören wollen, von einer besseren Welt zu träumen, aber auch die berechtigte Hoffnung haben, irgendwann zu denen zu gehören, die Träume realisieren.
Peter Krämer hat auch den ehemaligen Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) gefragt, ob er die Petition gegen Waffenexporte über den Hafen unterschreiben möchte. Im Prinzip ja, aber praktisch nein, bekam er zur Antwort. Die Welt sei nun mal nicht friedlich. „Denn die Friedlosen werden ohne deutsche Waffen nicht friedfertiger. Es gibt immer genug andere Lieferländer“, hat Dohnanyi zurückgeschrieben.
Im Prinzip mag Dohnanyi recht haben. Aufgehört zu träumen hat er in jedem Fall. Peter Krämer hat ihm „mit einem Zitat meines leider verstorbenen Freundes Nelson Mandela“ geantwortet: „Es scheint unmöglich, bis es getan ist.“