Warum es so wichtig ist, dass sich die Parteien bei ARD und ZDF heraushalten
Was sagt es über den Zustand der Pressefreiheit in unserem Land aus, wenn wir allen Ernstes das Bundesverfassungsgericht benötigen, um den Einfluss der Politik auf einen der wichtigsten deutschen Fernsehsender zu beschränken? Die Frage ist so rhetorisch, wie das Urteil der obersten Richter überfällig war. Jetzt ist zu hoffen, dass man sich grundlegend über die Rolle des Staatsfernsehens, das hoffentlich bald keines mehr ist, Gedanken macht. Über den Rundfunkbeitrag kann man sich streiten, über die Überwachung beziehungsweise Kontrolle der Fernsehmachenden nicht mehr. Sie darf nicht politisch gesteuert, sie darf nicht nach Parteienproporz organisiert sein – sie muss ganz anders gedacht werden, auch viel extremer und klarer, als es jetzt das Verfassungsgericht fordert.
Das ZDF, aber auch die Anstalten der ARD, von NDR bis WDR, bräuchten Kontrollgremien, die klar strukturiert, mit Experten besetzt und vor allem nicht zu groß sind. Allein der Fernsehrat des ZDF hat 77 (!) Mitglieder, und man fragt sich, wie die vernünftig und effektiv im Sinne eines besseren Informations- und Unterhaltungsprogramms zusammenarbeiten können. Nein, man fragt sich sogar, was so ein riesiges Gremium überhaupt soll, und kommt schnell zu dem Ergebnis, dass es offensichtlich gerade in den Parteien ein gesteigertes Interesse daran geben muss, auf die Berichterstattung Einfluss zu nehmen, und sei es nur in einer Aufsichtsratsfunktion. Damit muss endlich Schluss sein. Dass ist umso wichtiger, weil die Bedeutung des gebührenfinanzierten Journalismus in den kommenden Jahren steigen könnte. Denn anders als zum Beispiel Zeitungs- oder Zeitschriftenverlage müssen sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht auf die Suche nach neuen Finanzierungsmodellen machen. Das ihre ist gerade grundlegend überarbeitet worden und verhältnismäßig stabil. Eine komfortable Situation, um den Wandel von der analogen in die digitale Welt zu gestalten, eine Lage, um die zum Beispiel das „heute-journal“ von etlichen überregionalen Tages- oder Wochenzeitungen beneidet werden dürfte. Zumal das „heute-journal“ anders als künftig vielleicht die „Süddeutsche Zeitung“ oder die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ nie gezwungen sein wird, für seine Inhalte im Internet Geld zu nehmen – in der internen Logik haben die Zuschauer beziehungsweise Nutzer dafür ja mit ihrem Rundfunkbeitrag bezahlt. Soll heißen: Die öffentlich-rechtlichen Anstalten haben allerbeste Voraussetzungen, um künftig publizistisch deutlich stärker zu werden, als sie es bisher waren. Umso bedenklicher wäre es, wenn der politische Einfluss auf ARD und ZDF in den kommenden Jahren nicht deutlich zurückgehen würde, gern gegen null. Die einfache Rechnung: Je größer die Marktanteile der Rundfunkanstalten und je stärker die Überwachung durch die Parteien, desto schwächer die Pressefreiheit in Deutschland.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts geht in diesem Zusammenhang in die richtige Richtung, mehr aber auch nicht. Im Internetzeitalter muss sich das staatlich kontrollierte Fernsehen zu einem Fernsehen entwickeln, das vor allem den Staat kontrolliert. Schluss muss sein mit der unausgesprochenen Abhängigkeit der Intendanten und/oder Chefredakteure von Ministerpräsidenten, die ausgesprochen in der Vergangenheit nicht nur einmal zu seltsamen (Telefon-)Gesprächen über Inhalte und Moderatoren geführt hat.
Sagen wir es, wie es ist: Das Bundesverfassungsgericht hat die Politik eindeutig dazu aufgefordert, sich aus der Arbeit von Journalisten herauszuhalten, selbst dann, wenn deren Gehälter aus öffentlichen Geldern bezahlt werden. Dass ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Aber offenbar brauchte es in diesem Land einen, der sie einmal ausspricht.