Das Demografie-Konzept des SPD-Senats bleibt bei den Folgerungen zu unkonkret
Wir machen gute Arbeit und haben schon viel erreicht. Aber wir dürfen nicht nachlassen und müssen uns weiter anstrengen. Diese Sätze sind gewissermaßen der kleine Katechismus von Bürgermeister Olaf Scholz, den er bei vielen sich bietenden Gelegenheiten anbringt. Wie ein roter Faden zieht sich die Ärmel-aufkrempeln-und-weiter-so-Maxime auch durch das Demografie-Konzept „Hamburg 2030“, das Scholz jetzt vorstellte.
Bei allem Verständnis dafür, dass Selbstlob und das Verweisen auf eigene Erfolge zum Pflichtprogramm der Regierenden im politischen Wettbewerb zählen: Wer die Herausforderungen des demografischen Wandels für die nächsten gut 15 Jahre in den Blick nehmen und beschreiben will, muss gelegentlich auch eigene Positionen infrage stellen und konkrete Handlungsalternativen aufzeigen. Das ist schon deshalb notwendig, weil es selbstverständlich nicht die eine verlässliche Prognose über die Bevölkerungsentwicklung geben kann – weder, was deren Gesamtzahl angeht, noch, was den Anteil der älteren oder jüngeren Menschen betrifft. Es gibt unterschiedliche Modelle, die nach unterschiedlichen Antworten verlangen.
Erschwerend kommt hinzu, dass nicht einmal die Ausgangslage geklärt ist. Bekanntlich gibt es einen etwas bizarren Streit zwischen dem Bund und dem SPD-geführten Senat über die aktuelle Einwohnerzahl Hamburgs. Es macht schon einen großen Unterschied, ob wir gut 1,7 Millionen sind, wie der bundesweite Zensus 2011 uns glauben machen will, oder fast 1,8 Millionen. Das ist die Zahl, mit der der Senat bislang gearbeitet hat. Das Demografie-Konzept weist zwar auf die Differenzen hin, zieht aber keine konkreten Schlüsse daraus.
Dabei ist die Grundtendenz uneingeschränkt positiv: Alle Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung gehen bis 2030 von einem Wachstum für Hamburg aus – gegen den Bundestrend. Wenn – um nur ein Beispiel zu nennen – davon ausgegangen wird, dass die Zahl der Schüler an den allgemeinbildenden Schulen bis 2025 noch einmal um mindestens 11.000 Jungen und Mädchen anwachsen wird, stellen sich zwei Fragen: Wie viele Schulen müssen zusätzlich gebaut werden und wie viele Lehrer werden benötigt? Beide Antworten bleibt das Senatskonzept schuldig.
Olaf Scholz selbst war schon einmal mutiger: Anfang 2013 hat sich der Bürgermeister vor dem Übersee-Club zur dynamisch wachsenden Stadt bekannt. Ausgehend von der vielleicht doch recht optimistischen Annahme einer Einwohnerzahl von zwei Millionen und mehr „in den 30er-Jahren“ rechnete Scholz damals sehr konkret einen Bedarf von 38 neuen Schulen und 800 zusätzlichen Lehrern vor.
Irgendwie ist die Fortschrittseuphorie, die Scholz für Metropolen wie Hamburg als berechtigt ansieht und zum Baustein seiner Zukunftsstrategie erhoben hat, beim Demografiekonzept im Klein-Klein des politischen Handwerks verloren gegangen. Aus der Fleißarbeit, die die Behörden zusammengetragen haben, lässt sich kein solch politischer Funke schlagen wie aus dem Konzept der wachsenden Stadt, das der CDU-geführte Senat vor gut zehn Jahren ins Leben rief.
Dabei geht es niemals nur um quantitatives, sondern immer auch um qualitatives Wachstum, sprich: die Verbesserung der Lebensbedingungen. Auch hier bleibt vieles offen. Ein Beispiel: „Das Zufußgehen und Fahrradfahren sind Ausdrucksformen eines urbanen Lebensstils, und der nötige Raum muss dafür bereitgestellt werden“, heißt es sehr schön im Senatskonzept. Nur wie und in welchem Umfang soll das Radwegenetz ausgebaut werden? Um Antworten zu finden, muss man wohl erst einmal reisen – etwa nach Kopenhagen.
Am konkretesten wird das Konzept bei den Herausforderungen für den Gesundheits- und Pflegebereich. Aber: Was nicht ist, kann noch werden. Das Papier soll in einem festen Rhythmus alle drei Jahre fortgeschrieben werden.