Der Talkmaster will in der ARD aufhören. Das Fernsehen braucht Journalisten wie ihn
Es ist ein Irrtum, dass es im öffentlich-rechtlichen und im deutschen Fernsehen überhaupt zu viele Talksendungen gibt. Tatsächlich gibt es schlicht zu wenige sehr gute und unverwechselbare. Deshalb ist es besonders schade, dass nun mit Reinhold Beckmann ausgerechnet jener Talker freiwillig der ARD seine Demission anbietet, der sich in den vergangenen Jahren durch eine eigene Gesprächsführung und durch Gäste, die man nicht am nächsten Tag irgendwo anders sieht, etabliert hat. Und dessen Quoten vor allem deswegen schlechter geworden sind, weil er seinen angestammten Sendeplatz am Montag räumen musste und seitdem am Donnerstag sein Publikum finden muss. Zu einer Zeit, die zumindest schwierig ist.
Es wäre fatal, wenn das Ende von "Beckmann" als Signal missverstanden würde, dass die etwas ruhigere Talkshow jenseits der Frontalmoderation eines Frank Plasberg oder des halbrunden Gesprächskreises der anderen gescheitert ist.
Das Fernsehen braucht Journalisten wie Beckmann, der sich mit seinen Protagonisten an einen Tisch setzt und wirklich an einem Gespräch interessiert ist und nicht nur an einem Schlagabtausch mit vorhersehbarem Ausgang. Und der sich nicht krampfhaft bemüht, das Thema seiner Sendung so lange zuzuspitzen, bis man nicht mehr weiß, ob diese im seriösen ersten Programm oder in einem der hinteren Privatsender zu finden ist.
Beckmann macht Sendungen, die Titel tragen wie "Weltmächte der Zukunft - welche Rolle wird China spielen?", mit einem seiner wenigen Dauergäste, Altbundeskanzler Helmut Schmidt. Man kann so eine Ankündigung langweilig finden, weil sie so normal daherkommt, weil sie einfach sagt, was im Gespräch zu erwarten ist.
In Wirklichkeit ist es aber erfreulich, dass es im Talkshow-Journalismus (noch) ein Format gibt, das glaubt, ohne krawall-boulevardeske Fragen wie "Den Managern ans Gehalt! Brauchen wir ein Gesetz gegen die Gier?", "Abgehoben, abgeschoben, unsozial - sind so Deutschlands Eliten?" (beide von "Günther Jauch") oder "Festgeldkonto schlägt echte Liebe - was lehrt uns der Bayernsieg?" auskommen zu können. Der letzte Slogan riss das Thema von "Hart, aber fair" am gestrigen Montag an.
Wenn man die Ankündigungen der öffentlich-rechtlichen Talkshows in den vergangenen Wochen und Monaten hintereinander durchliest, fühlt man sich manchmal an jene üblen Zeiten des Fernsehens erinnert, in denen es jeden Tag, gern auch schon morgens, seltsame Gesprächsrunden zu noch seltsameren Themen gab. Auch in diesem Punkt ist Reinhold Beckmann mit seinem Kammerspiel unter den Talksendungen eher eine wohltuende Ausnahme, mit seiner Fragetechnik ist er es sowieso. Der Hamburger tut genau das, was man von einem Moderator in der ARD erwarten kann und muss: Er kümmert sich um Themen, die ihn interessieren und von denen er annimmt, dass sie auch andere interessieren könnten, ohne dabei auch noch den letzten Prozentpunkt Marktanteil herausquetschen zu wollen.
Das kann nur gebührenfinanziertes Fernsehen, und das muss sich genau dieses Fernsehen auch leisten, weil es andere eben nicht können. Klare Akzente setzen, bekennen, was man selbst wichtig findet, und sich eben nicht in die Endlosschleife des Mainstream einreihen. Das war es und das ist es momentan noch, was man von Reinhold Beckmann und seiner Sendung lernen kann. Es geht nicht um weniger Talk, sondern um mehr Inhalt und Substanz, und, vor allem um Gespräche und Gäste, mit denen man nicht gerechnet hat.
Insofern wäre es erfreulich, wenn einer wie Beckmann nur der ARD verloren geht - und nicht dem deutschen Fernsehen. Das ZDF könnte einen wie ihn auf jeden Fall gebrauchen.