Trainer Fink scheint endlich erkannt zu haben: Selbstzufriedenheit ist der größte Feind des Fußballprofis
Das war Fußball vom Feinsten. Die Champions-League-Spiele in dieser Woche dürften auch die Hamburger Fußballfans für die letzten dilettantischen Vorstellungen der beiden hanseatischen Profiteams entschädigt haben. Ganz nebenbei riefen sie auch in Erinnerung, wie schön doch Fußball sein kann. Gut, die Dortmunder haben gegen Malaga eine Stunde lang versucht, ähnlich einfallslos zu spielen wie der HSV. Aber die Schlussphase war spannend, dramatisch und unvergesslich. In etwa so wie beim HSV-Spiel gegen Juventus Turin am 13. September 2000, als es nach 90 Minuten in der Champions League ein legendäres 4:4 gegeben hatte. Lang ist es her.
Dass der HSV in seiner Geschichte tatsächlich einmal vor Bayern München und Borussia Dortmund stand, kann nicht für so manches erschütternde Gekicke in diesem Jahr entschädigen. Wenigstens kann der Hamburger Bundesliga-Dino nicht mehr absteigen. Und endlich scheinen die Verantwortlichen sechs Spieltage vor Ende dieser 50. Bundesliga-Saison doch noch den Ernst der Lage erkannt zu haben. Trainer Thorsten Fink jedenfalls gibt sich so, wie er es einst beim FC Bayern zum Stammspieler geschafft hat: kämpferisch. Er hatte zwar schon einige Male eine verschärfte "Wetterlage" für und bei seiner Mannschaft angekündigt, aber jetzt sieht es so aus, als wolle er diese Ansage auch durchziehen.
Nur so kann es gehen: Schluss mit dem ewigen Schönreden der vielen erschreckenden Auftritte. Schluss mit dem Verhätscheln der in Watte gepackten Profis. Schluss mit der Vergabe von Freifahrtscheinen, die so mancher Spieler in Sachen Stammplatz für sich in Anspruch genommen hat. Jetzt ist Leistung gefragt, Einsatz, Engagement und Leidenschaft. Wer das nicht abrufen kann, der hat seinen Job verfehlt oder sollte sich doch besser einen Zweitligaclub suchen.
Thorsten Fink ist gewillt aufzuräumen, und er müsste dabei einen für ihn höchst unbequemen Weg gehen. Bringt er junge, hungrige, aber namenlose Spieler, dann sind Erfolge nicht gerade garantiert. Für den Trainer könnte das ein steiniger Weg werden, der ihn - bei andauerndem Misserfolg - in der Konsequenz sogar seinen Job kosten könnte. Zurzeit, so schätze ich die Lage beim HSV ein, ist Fink sogar gewillt, dieses Risiko einzugehen. Denn so weiterwursteln wie bisher kann keine Option sein. Kurzfristig mögen einige Siege möglich sein, und die überraschenden Erfolge in dieser Spielzeit haben die Schwächen überdeckt. Denn viel zu oft lehnen sich die Herren Profis schnell wieder zurück, sonnen sich in einigen Erfolgen - und lassen den lieben Fußball-Gott einen guten Mann sein.
Selbstzufriedenheit ist der größte Feind des Fußballers, und in Hamburg haben die Profis in den vergangenen Jahrzehnten viel zu oft "Hier" geschrien, als die Selbstzufriedenheit verteilt wurde. Die Ankündigung, dass jetzt härtere Zeiten anbrechen, kommt vielleicht noch gerade zum rechtzeitigen Zeitpunkt, bevor auch der letzte HSV-Fan endgültig genug von diesem Anti-Fußball mit tausend Quer- und Rückpässen hat.
Thorsten Fink hatte kürzlich noch im Fernsehen verkündet, dass seine Mannschaft einen "sehr guten Charakter" habe. Nun hat er wohl eingesehen, dass er da auf dem Holzweg war. Vielleicht kann ihm Rafael van der Vaart helfen auf dem Weg hin zu einer Mannschaft, die auch bereit ist, als echtes Team und als verschworene Einheit um Punkte zu kämpfen. Und vielleicht gelingt es dem HSV ja auch mal wieder, eine vernünftige Hierarchie in seine Truppe zu bekommen, mit nicht nur zwei, drei Führungsspielern, sondern mit mindestens sechs oder sieben. Wobei Marcell Jansen zuletzt ja - ebenfalls per Fernsehen - festgestellt hat: "Führungsspieler kann man nicht vom Baum pflücken, die müssen sich selber entwickeln." Dann fangt mal damit an!
Dazu gehört aber auch, dass die Profis nicht alle zwei Jahre den Club wechseln, dazu gehört die Lust am Beruf und die Identifikation mit den Fans und mit ihrem Verein. Das muss man als Spieler aber wollen und hundertprozentig dahinterstehen. Und nicht ständig auf der Flucht nach einem Arbeitgeber sein, der mehr Geld und noch bessere Perspektiven bietet. Dafür ist es nie zu spät. Für den HSV ist der ideale Zeitpunkt jetzt gekommen.
Die HSV-Kolumne "Matz ab" finden Sie täglich im Internet unter www.abendblatt.de/matz-ab