Untersuchungsausschuss Elbphilharmonie muss fortgesetzt werden
Unsere Demokratie ruht auf wenigen, schlichten Prinzipien - von denen eines jedoch mitunter in Vergessenheit gerät. Dass es die Bürger sind, die die Zusammensetzung der Parlamente bestimmen, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Dass erst dieses Parlament, in Hamburg also die Bürgerschaft, eine Regierung bestimmt, schon weniger. Und dass es die wichtigste Aufgabe der Abgeordneten ist, diese Regierung im Namen des Volkes zu kontrollieren, wird gern ganz übersehen. "Die da oben" werden oft alle in einen Topf geworfen, "die Politiker" machen doch ohnehin, was sie wollen, lautet ein Vorurteil.
Den allermeisten Abgeordneten, auch und vor allem der Hamburgischen Bürgerschaft, werden solche Parolen nicht gerecht. Anders als in allen anderen Bundesländern üben viele von ihnen einen Beruf aus und betreiben die Politik erst nach Feierabend - für die bundesweit geringste Aufwandsentschädigung. Nicht nur gemessen daran zeigen die Parlamentarier sehr großes Engagement. Und eines der besten Beispiele dafür ist die Elbphilharmonie.
Seit nunmehr drei Jahren wühlen sich die Abgeordneten durch Tausende von Akten, haben Dutzende Zeugen vernommen und nicht selten bis in die Nacht hinein getagt. Dass dieses nur sehr wenige Bürger live verfolgt haben, ist bedauerlich. Denn sie hätten durchaus eine Menge darüber erfahren können, warum diese Elbphilharmonie ständig teurer und einfach nicht fertig wird.
Dass die Verträge für das Jahrhundertbauwerk überhastet ausgeschrieben und abgeschlossen wurden, dass die Konstellation der Beteiligten problematisch war, dass der Bau vor Fertigstellung der Pläne begonnen wurde und dass das ganze Projekt vonseiten der Stadt nicht konsequent und professionell genug gesteuert und kontrolliert wurde, das hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) der Bürgerschaft detailreich ans Licht gebracht. Vieles davon kam zwar nicht überraschend, aber es ist ein gravierender Unterschied, ob man etwas nur schon immer geahnt hat, oder ob ein Untersuchungsausschuss es akribisch ermittelt und quasi amtlich feststellt.
Dazu gehört auch das Offenlegen von Wissenslücken und Widersprüchen. So wird dieser zweite Elbphilharmonie-PUA, wenn er kommende Woche seine letzte Anhörung durchgeführt und dann im Sommer seinen Abschlussbericht vorlegt, weder den einen Grund noch den einen Schuldigen für das ganze Dilemma präsentieren können - weil es beides nicht gibt. Das ist ja auch eine Erkenntnis und widerspricht den einfachen Wahrheiten, mit denen mancher Kritiker diesem enorm komplexen Projekt zu Leibe rückt. Dennoch wird der Bericht wichtige Hinweise liefern, was falsch gelaufen ist und was man besser machen kann, um so ein Desaster für den Haushalt und das Image der Stadt in Zukunft zu verhindern.
Die Frage, ob es sinnvoll war, dass die Bürgerschaft diesen Untersuchungsausschuss eingerichtet hat, lässt sich also klar beantworten: Natürlich war es das! Gemessen an den vermutlich mehr als 700 Millionen Euro, die dieses Konzerthaus mit allem Drum und Dran die Stadt gekostet haben wird, sind die weniger als drei Millionen für die Aufklärung, warum es so verdammt schiefgelaufen ist, sehr gut angelegtes Geld.
Allerdings muss die Politik den Sack noch zumachen. Denn eine Krux von Untersuchungsausschüssen ist, dass sie nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ermitteln dürfen - im vorliegenden Fall bis Ende 2008. Die Jahre des Streits danach, die jetzt beschlossene Neuordnung, der erneute Nachschlag von 200 Millionen Euro - all das harrt noch der Aufklärung. Wer hat was entschieden? Wann und warum? Auf die Antworten haben die Bürger ein Recht. Um ihrer Kontrollfunktion vollends gerecht zu werden, muss die Bürgerschaft also einen weiteren Untersuchungsausschuss einsetzen.