Das neue Register RIFA kann helfen, die Schifffahrtspolitik in der EU zu modernisieren
Das neue rumänische Flaggenregister RIFA könnte für Europas Schifffahrt von Vorteil sein, obwohl es in vielem den oft kritisierten Billigflaggen entspricht. Es entstammt einem Staat mit zweifelhafter politischer Reputation, es verschafft deutschen Reedern die Möglichkeit, im Ausland Nebenkosten für ihre Schiffe zu sparen und dennoch niedrige pauschale Steuern zu zahlen. Aber es ist technologisch modern, nach strengen Richtlinien organisiert - und es bietet die Chance, Hunderte Schiffe europäischer Reeder zügig aus Afrika, Mittelamerika und Ozeanien in die EU zurückzuflaggen. Europas Gewicht in der internationalen Schifffahrt dürfte dadurch steigen. Vielleicht könnte RIFA auch eine Brücke zwischen Schifffahrt und Politik werden auf dem Weg zu einem gemeinsamen europäischen Flaggenregister.
In der europäischen Schifffahrt liegt vieles im Argen, auch in der deutschen. Das Verhältnis zwischen der Schifffahrtsbranche und der Bundespolitik in Berlin ist derzeit ausgesprochen schlecht. Jahrelang war die deutsche Schifffahrtspolitik auf dem Fundament nationaler maritimer Konferenzen mühsam neu aufgebaut worden. Unter dem Druck der anhaltenden Branchenkrise zeigt sich aber, wie fragil die Verbindungen zwischen Politik und Schifffahrt tatsächlich sind. Kurz vor Weihnachten erst holte der Bund seine Drohwerkzeuge hervor. Von den Charterreedereien, die ihre Mietschiffe im Verbund, sogenannten Pools, betreiben, fordert das Bundeszentralamt für Steuern einigermaßen überraschend plötzlich Versicherungssteuern. Wenn die Bescheide vollzogen werden, droht mancher Reederei wohl die Pleite. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) kündigte Tage nach dem Bekanntwerden dieser Pläne großzügig an, die Interessen der Reeder zu berücksichtigen. Aber der Donnerschlag von Steuernachforderungen in einer möglichen Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro verfehlte seine Wirkung in den Unternehmen nicht.
Die Politik misstraut der Schifffahrt, weil sie deren Geschäftsmodell nicht versteht. Schiffe, die mit dem Geld deutscher Anleger in Südkorea gebaut werden, die in Liberia, auf den Marshallinseln oder in Panama eingeflaggt sind, die mit philippinischen oder malaiischen Besatzungen fahren und deren Eigner niedrige Pauschalsteuern zahlen, das ist die Realität des Reedereigeschäfts. Aber es ist keine schöne patriotische Geschichte zum Beispiel für eine Sitzung des Haushaltsausschusses im deutschen Bundestag. Denn sie hat keine starke Pointe in Schwarz-Rot-Gold.
Auch das neue Flaggenregister RIFA schreibt nicht gleich auf den ersten Blick eine deutsche Erfolgsgeschichte, obwohl es von den Hamburger Unternehmern Albrecht Gundermann und Jörg Molzahn im Auftrag der rumänischen Regierung mit Sitz in Hamburg und Bukarest gegründet wurde, obwohl sich das Angebot von RIFA zunächst vor allem an deutsche Reeder und deren Hunderte von Containerfrachtern richtet. Rumänien ist leider nicht Europas lupenreinste Demokratie. Aber wenn etliche Frachter und Tanker aus Liberia, Panama, den Bahamas oder den Marshallinseln unter rumänische Flagge kommen, stärkt das zumindest die EU.
RIFA könnte eine Blaupause für ein künftiges Europaregister werden. Denn die Politik kann es drehen und wenden, wie sie will: Viele deutsche Reeder sitzen in Deutschland nicht aus Patriotismus, sondern aus Pragmatismus - weil zum Beispiel Hamburg einer der am besten vernetzten Schifffahrtsstandorte der Welt ist; Standortvorteile aber schwinden schneller, als sie gewachsen sind. Der Unterschied zwischen den beiden "P" ist: Das erste P bindet, das zweite zieht einen hinweg, dahin, wo beste Bedingungen für das Geschäft herrschen. Deutschland ist dieses Land für die Schifffahrt derzeit nicht unbedingt.