Die Euro-Zone wird zum Weichwährungsgebiet - Widerstand ist fast zwecklos
Wer einige Wochen auf einer abgelegenen Insel oder in einer einsamen Almhütte verbracht hat, hat in Sachen Euro-Krise auf den ersten Blick nicht viel verpasst. Die Griechen benötigen mal wieder mehr Zeit und bitten um Aufschub, Finnen oder Deutsche drohen ein bisschen, rudern dann zurück und die Wirtschaftslage in Euro-Land trübt sich weiter ein. Alles so wie immer?
Leider nein. Denn unter der Oberfläche wächst im Norden der Unmut. In den Niederlanden wird in zwei Wochen gewählt - dort hat der Regierungschef massive Probleme, die Landsleute angesichts drohender Milliardentransfers in die Schuldenstaaten auf Einsparungen daheim einzuschwören. Der finnische Außenminister denkt öffentlich darüber nach, dass Europa besser ohne die Euro-Zone funktioniere. In Deutschland sind einer aktuellen Umfrage zufolge nur noch 31 Prozent der Meinung, Griechenland solle weiter den Euro als Währung haben. 61 Prozent sind schon dagegen. Während die Schuldenstaaten durch ihren Schulterschluss neues Selbstbewusstsein demonstrieren, setzen die Wähler die Politiker in den soliden Nordstaaten unter Druck.
Für Griechenland sind das schlechte Nachrichten. Denn beide Seiten könnten ein Interesse an dem Ausscheiden der Griechen aus dem Euro, dem sogenannten Grexit, haben. Die Schuldenstaaten könnten darauf setzen, mit einem "heilsamen Schock" den Druck auf Deutschland, Finnland und die Niederlande zu erhöhen, die Wähler in diesen Staaten verlangen danach, ein Exempel zu statuieren. Dies birgt allerdings die Gefahr, dass Europa den Lehman-Schock nachspielt. Mitte September 2008 hatten die USA die Investmentbank in die Pleite schlittern lassen - die Folgen waren so dramatisch, dass fortan der Staat jede systemrelevante Bank mit Milliarden retten musste.
Ein ähnliches Szenario im Falle eines Austritts der Griechen - an dem längst gearbeitet wird - könnte massive Rettungsaktionen zugunsten von Italien, Spanien und Portugal, möglicherweise auch von Frankreich nötig machen. Vermutlich wäre damit die Haftungsunion endgültig Wirklichkeit.
Die Volkswirte der Commerzbank haben ein Szenario entwickelt, das plausibel klingt und "italienische Währungsunion" heißt. Europa würde sich angleichen, indem in den mittel- und nordeuropäischen Staaten Preise wie Löhne kräftig steigen und der Süden über einen schwachen Euro seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert. So hat Italien viele Jahrzehnte agiert - die Lira war schwach, die Preissteigerung hoch. Natürlich war das nicht der Untergang für die italienische Wirtschaft - allerdings sind die heutigen Probleme des Landes eine Folge dieser Verhältnisse. Die Ironie der Geschichte: Der Euro wäre dann nicht, wie einstmals bei der Einführung der Währungsunion versprochen, an der Solidität der D-Mark orientiert, sondern am südeuropäischen Savoir-vivre.
Natürlich muss es nicht so kommen - aber die Alternativen sind eher unwahrscheinlich. Nach zwei Jahren ununterbrochener Rettung sind Finnland, Deutschland und die Niederlande erpressbar geworden - sie stehen mit so hohen Beträgen im Risiko, dass ihnen nur die Wahl zwischen Pest und Cholera bleibt. Ein Scheitern des Euro wird mit jedem Tag teurer, die Rettung aber auch. Damit funktioniert auch das deutsche Druckmittel nicht mehr, Solidarität nur gegen Solidität zu leisten. Womit soll man drohen, wenn längst Hunderte von Milliarden im Feuer stehen? Die "soliden" Nordstaaten bestimmen nicht mehr das Spiel, sie sind Gefangene der Situation. Es ist wie in dem alten Bonmot: "Wenn du der Bank 100 Dollar schuldest, dann hast du ein Problem. Wenn du der Bank 100 Millionen Dollar schuldest, dann hat die Bank ein Problem." Unser Problem: Deutschlands Steuerzahler sind Teil dieser Bank.