Noch zehrt Olaf Scholz vom Vertrauensbonus der Wähler.
Das Ergebnis der Hamburger Bürgerschaftswahl vom 20. Februar, das Olaf Scholz und die SPD in die luftigen Höhen einer absoluten Mehrheit katapultierte, entsprang nicht der Augenblickslaune des Wahlvolks. Die Hamburger wollten den Wechsel von Schwarz(-Grün) zu Rot, und sie stehen laut der aktuellen Umfrage im Auftrag des Abendblatts zu dieser Richtungsentscheidung.
Knapp vier Monate nach der Wahl ist Bürgermeister Scholz der mit Abstand beliebteste Rathaus-Politiker, und die SPD erreicht beinahe das Wahlergebnis. Die CDU kann sich aus dem Zustimmungskeller nicht befreien und sackt sogar auf ein historisches Umfragetief von 20 Prozent ab.
Aus dem Hoch für die Sozialdemokraten zu schließen, nun sei alles gelaufen, wäre grob falsch. Es ist vielmehr so: Der am Wahltag großzügig gewährte Glaubwürdigkeitskredit für die SPD läuft weiter. Scholz ist mit einer Reihe von Wahlversprechen Bürgermeister geworden - von der Ankurbelung des Wohnungsbaus bis hin zum kostenlosen Kita-Besuch. Die Rückzahlung des Kredits erfolgt über die Umsetzung der Wahlversprechen. Selten war die Senatspolitik so eindeutig überprüfbar wie heute. Scholz will sich daran und an seiner Maxime des "guten Regierens", was immer das genau bedeutet, messen lassen. Sollte die Realisierung ausbleiben, wird sich die Zustimmung schnell in Ablehnung verwandeln.
Die SPD profitiert weiterhin von der Schwäche der politischen Gegner. Die CDU steht nach dem desaströsen Wahlergebnis vor einem inhaltlichen und personellen Neuanfang. Die Wahl des Bundestagsabgeordneten Marcus Weinberg zum neuen Landesvorsitzenden am morgigen Mittwoch löst die Probleme noch nicht. Es ist nur ein erster Schritt. Die Union wird lange brauchen, um aus dem Schatten von Ole von Beust zu treten, der die Partei paradoxerweise mit seinem zu frühen Rücktritt erst in die Bredouille gebracht hat.
Von Beust hat zudem mit seinen hohen Sympathiewerten einen Konflikt zugedeckt, den die Partei nach seinem Abgang nun austragen muss: Will die Elbunion eine moderne Großstadtpartei sein, zum Beispiel mit einer toleranten Integrationspolitik? Oder will sie wie früher vor allem als Hüterin eines Law-and-order-Kurses in der inneren Sicherheit wahrgenommen werden? Auch die GAL, traditionell drittstärkste Kraft im Hamburger Rathaus, steckt in einer (Identitäts-)Krise: Die Wähler haben die großen Grünen-Projekte - Primarschulreform und Stadtbahn - verworfen.