Deutschland ist besser, als die meisten Deutschen glauben.
Deutschland kommt von allen europäischen Ländern am besten aus der Krise. Spötter sagen trotz und nicht wegen seiner Regierung. Tatsächlich hat sich die schwarz-gelbe Koalition in ihrem ersten Jahr nicht mit Ruhm bekleckert. Allerdings hat sie auch keinen größeren Schaden angerichtet. Und viel Gutes, wie etwa die Verlängerung der Kurzarbeit, wurde schon von der Großen Koalition beschlossen.
Von unseren Nachbarn hebt uns aber noch viel mehr ab. Im Gegensatz zu Frankreich, England oder Italien wird der Sozialstaat schon seit Längerem umgebaut. Wir verfügen noch immer über einen leistungsfähigen, flexiblen und weltmarktfähigen Mittelstand, der nun auch den Aufschwung befördern wird. Und nicht zuletzt funktioniert noch immer die Sozialpartnerschaft, die nicht konfliktfrei ist, diese aber in geordneten Bahnen zu Lösungen führt, mit denen alle Beteiligten leben können. Selbst eine Auseinandersetzung wie die um das Bahnprojekt Stuttgart 21, an dem sich neben dem Zorn über ein schlecht kommuniziertes Großprojekt auch allgemeine Unzufriedenheit mit der Politik festmacht, geht nach der Eskalation nun in seine Schlichtungsphase.
Von Schlichtung ist Frankreich in seinem Rentenstreit meilenweit entfernt. Jugendarbeitslosigkeit, Desintegration und Staatsverdrossenheit grassieren zudem. Und die Wut hat einen Adressaten: Staatspräsident Sarkozy, der noch immer mit autoritären Mitteln der Situation Herr zu werden versucht. Da ist kein Konsens in Sicht.
Großbritannien wiederum, mittlerweile weitgehend seiner industriellen Basis beraubt, lebt viel zu stark vom Finanzsektor. Der war zwar ursächlich für die Krise, wurde aber durch hohe Staatsverschuldung gerettet, kassiert inzwischen wieder munter Boni und macht weiter, als sei nichts gewesen. Bezahlt wird das deswegen notwendig gewordene Sparprogramm überwiegend aus dem noch nie besonders üppig gewesenen Sozialsektor der Insel. Wenn das kein Stoff für handfeste Konflikte ist!
Für Stabilität hat in Deutschland auch immer gesorgt, dass Arbeitnehmer über die Löhne am Erfolg ihrer Unternehmen beteiligt waren. Noch nie gab es in der Geschichte so lange Zeit für so viele Menschen so viel Wohlstand - und so stabile soziale Verhältnisse. Wenn Brüderle daran erinnert, ist das kein Eingriff in die Tarifautonomie. In Zeiten von Leiharbeit, befristeten oder gar prekären Beschäftigungsverhältnissen ist das vielmehr eine Erinnerung daran, dass nicht ganze Teile der Arbeitnehmerschaft abgehängt werden dürfen und auch Leistungsträger für Motivation empfänglich sind. Damit ist Deutschland bisher gut gefahren, auch wenn das viele nicht glauben und immer Gründe zum Klagen finden. Es gibt keinen Grund, von diesem Kurs abzuweichen.