Hamburg/Rostock. Seit Beginn des Ukraine-Krieges sei Risiko einer Ölpest stark gestiegen. Greenpeace warnte bereits. Jetzt wird die Aktion auch politisch zum Thema.
„Oil kills“ (Öl tötet), stand auf dem Banner, das zehn Aktivistinnen und Aktivisten von Greenpeace Ende September auf Schlauchbooten vor Rostock-Warnemünde entrollten. Wie die Umweltschutzorganisation mitteilte, galt die Protestaktion dem Tanker „Seagull“, der gerade das Ostseebad passierte. Das 2003 gebaute Schiff hatte russisches Rohöl geladen – und ist laut Greenpeace durch technische Mängel aufgefallen.
„Die deutschen Küsten sind bedroht, allein heute fahren hier vier weitere dieser potenziellen Ölkatastrophen entlang und bedrohen Seevögel, Schweinswale und das gesamte Ökosystem“, wurde Meeresbiologe Thilo Maack in einer Mitteilung zitiert.
Einen Monat später dann ein Update: Greenpeace hat eine Liste mit 192 maroden Tankern, „die weltweit russisches Öl transportieren und die Umwelt bedrohen“. 171 davon sind in den vergangenen zwei Jahren einmal oder öfter durch die deutsche Ostsee und das Seegebiet der Kadetrinne in der Mecklenburger Bucht gefahren. Als Reaktion darauf äußerte sich am Freitag, 25. Oktober, Umweltstaatssekretärin Katja Günther und gab bekannt: „Wir haben das Thema Bedrohung durch die russische Schattenflotte für die Umweltministerkonferenz im November angemeldet.“
Öltanker auf der Ostsee: Bericht über „Schattenflott“ sorgt für Entsetzen
Günther weiter: „Es ist erschreckend, dass über 200 marode und größtenteils nicht versicherte Öltanker und Frachter auf der Ostsee unterwegs sind. Die Frage ist aktuell nicht, ob es eine Ölkatastrophe geben wird, sondern wann. Die Kosten für ein derartiges Unglück – ganz abgesehen von der zerstörten Natur – würden die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler tragen. Das Thema ist für die Umweltministerkonferenz im November angemeldet.
Die Schattenflotte sei eine massive Bedrohung für die Ostsee. Gleichzeitig fordert Katja Günther die beteiligten Bundesressorts und den Bundesverkehrsminister auf, „dass sie alles in ihrer Macht Stehende tun, um diese Gefahr abzuwenden!“
Greenpeace: Russland schickt alte und unterversicherte Öltanker auf die Ostsee
Zuvor hatte Greenpeace eine Recherche veröffentlicht, wonach russische Ölexporte mit veralteten Tankern die deutsche Ostseeküste – und namentlich Warnemünde – gefährden. Das Risiko einer Ölkatastrophe sei seit Beginn des Ukraine-Krieges und Inkrafttreten der Sanktionen gegen Russland stark gestiegen.
Greenpeace wertete für die Recherche Schiffsdaten von 2021 bis 2024 aus. Zudem wurden entlang der Tankerrouten GPS-Bojen ausgesetzt, um die möglichen Folgen einer Ölpest zu simulieren.
Seitdem die EU den Import russischen Öls gestoppt habe, verschiffe Russland mehr Rohöl per Schiff, hält Greenpeace in dem Recherchebericht fest. Ein Sanktionspaket der G7-Staaten verbiete westlichen Reedereien und Schiffsversicherungen jedoch, sich an russischen Rohölexporten über 60 Dollar pro Barrel zu beteiligen. Russland umgehe diese Sanktionen, indem es Schiffe anderer Reedereien mit anderen Versicherungen für seine Exporte nutze.
Diese Schiffe der sogenannten Schattenflotte seien oft alt und in schlechtem Zustand. Viele Tanker sind laut Greenpeace zudem unzureichend versichert, sodass unklar ist, wer im Ernstfall für Schäden aufkommt. Vor der deutschen Ostseeküste passieren die Tanker demnach besonders gefährliches Fahrwasser: die sogenannte Kadetrinne, ein System tiefer Rinnen am Meeresgrund.
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Der Recherche zufolge haben die Fahrten von Rohöltankern von den russischen Ostseehäfen entlang der deutschen Ostseeküste seit Januar 2021 um 70 Prozent zugenommen. Der gesamte Schiffsverkehr auf dieser Route sei hingegen seit Kriegsbeginn rückläufig. Gleichzeitig erhöhte sich demnach das Durchschnittsalter der eingesetzten Rohöltanker von 8,9 Jahren im Jahr 2021 auf 16,6 Jahre im Jahr 2024.
Greenpeace: Fehmarn, Warnemünde und Damp besonders gefährdet
An einzelnen Tagen seien bis zu drei große Öltanker gleichzeitig vor der deutschen Küste beobachtet worden, diese könnten zusammen bis zu 328.000 Tonnen Öl transportieren. Dabei fahren die Schiffe laut Greenpeace ohne ortskundige Unterstützung wie Lotsen durch die sensiblen Gebiete. Käme es hier zu einer Havarie, wären der Recherche zufolge die Inseln Fehmarn sowie die Ostseebäder Warnemünde und Damp von einer Ölpest bedroht.
Die Umweltschutzorganisation forderte die Bundesregierung zum Handeln auf, „bevor es zu einem Unglück kommt“. Notwendig seien „eine Lotsenpflicht für eine sichere Passage durch viel befahrene Routen, ein ausreichender Versicherungsschutz der Tanker und Belege für ihre Seetauglichkeit“, erklärte Nina Noelle von Greenpeace.