Berlin. Joanna Arnows Film „Dieses Gefühl, dass die Zeit, etwas zu tun, vorbei ist“ ist ein eigenartiges Generationenporträt der „Millenials“.

Ein sehr alter Witz stellt die Doppelbödigkeit dessen heraus, was heute als Überbegriff BDSM nicht zuletzt dank „Fifty Shades of Grey“ fast jeden provokativen Reiz verloren hat: „Quäl mich!“, bittet der Masochist, „Nein!“ pariert genüsslich der Sadist.

„Ich liebe es, dass es dir vollkommen egal ist, ob ich komme

Der Film „Dieses Gefühl, dass die Zeit, etwas zu tun, vorbei ist“ der US-Regisseurin Joanna Arnow funktioniert nach ähnlichem Muster: In amateurhaft wirkenden Szenen wird da aus dem Leben einer Mittdreißigerin (gespielt von Arnow selbst) in New York erzählt, die als braves Angestellten-Rädchen im Getriebe zu funktionieren versucht, aber ihre gefühlte Machtlosigkeit als „Submissive“, dem unterwürfigen Gegenstück zu einem dominant auftretenden Mann auslebt.

„Ich liebe es, dass es dir vollkommen egal ist, ob ich komme“, haucht Ann gleich in der ersten Szene einem schlafenden Mann zu, an dessen Schenkel sie sich reibt, „es ist, als würde ich gar nicht existieren!“. Wer darüber lachen kann, wird sich auch über die nächsten 90 Minuten köstlich amüsieren.

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Auf sehr eigene Weise entwirft Arnow ein Generationen-Porträt der berüchtigten „Millennials“, jener Kohorte junger Menschen, die sich von Finanzkrise, neoliberaler Sparpolitik und Verunsicherung angesichts von Bedrohungen wie Klimawandel besonders angegriffen und zurückgeworfen fühlt. Arnow kehrt dabei die Eigenschaften des Independent-Films – das schmale Budget, dessen Ressourcen-Armut man jeder Szene ansieht – so überdeutlich hervor, dass der Film selbst zu einer Art Karikatur des amerikanischen Indie-Filmwesens wird.

Der Weltschmerz einer Generation, auf den Punkt gebracht

Schnitt und Regie haben auf herausgestellt hölzerne Art daran ebenso ihren Anteil wie die Schauspieler vor der Kamera, die durchweg wie Laien agieren, auch wenn sich einige Prominente darunter finden. Sämtliche Dialoge werden mit betonter Emotionslosigkeit wiedergegeben. Arnows eigene Eltern illustrieren in freiwillig-ungeschickt wirkenden Auftritten ein ständig zwischen Gleichgültigkeit und Übergriffigkeit schwankendes­ ­Eltern-Tochter-Verhältnis.

Immer wieder bringen einzelne Vignetten den spezifischen Weltschmerz dieser Generation auf den Punkt. „Wenn Sie ihr Projekt erfolgreich abschließen, werden Sie ihren eigenen Job überflüssig gemacht haben!“, sagt die Vorgesetzte an einer Stelle zu Ann. Und ja, wer kennt es nicht, das manchmal fatale „Gefühl, dass die Zeit etwas zu tun, vorbei ist“?

Tragikomödie, USA 2023, 89 min., von Joanna Arnow, mit Joanna Arnow, Babak Tafti , Scott Cohen