Köln. Drogen und Selbstzweifel bestimmen den Start seiner Karriere. Robbie Williams droht daran zu zerbrechen. In „Better Man“ zieht er blank.
Es ist die Geschichte eines Jungen aus einer „dreckigen und ärmlichen“ britischen Großstadt, der aller (Selbst-) Zweifel zum Trotz zu einem der größten Superstars seiner Zeit avanciert. An der Spitze muss Weltstar Robbie Williams feststellen: Ruhm und Anerkennung bringen nicht die Erlösung, die er sich sein Leben lang erträumt hat.
„The Greatest Showman“-Regisseur Michael Gracey erzählt im Biopic „Better Man – Die Robbie Williams Story“ die ganze Geschichte: von Robbie Williams‘ Anfängen im nordenglischen Stoke-on-Trent, seinen Drogeneskapaden während seiner Zeit bei „Take That“, dem Rausschmiss aus der Band und schließlich seiner sensationellen Solokarriere.
Robbie Williams als Primat: So wie er sich sehe
Hauptdarsteller des Biopics sind Robbie Williams und Jonno Davies als Williams in jüngeren Jahren. Unterscheiden kann der Zuschauer sie kaum, bekommt er sie doch nicht zu Gesicht. Beide verstecken sich hinter einem computeranimierten Affen: abstehende Ohren, stark behaarter Körper, dickgliedrige Finger.
Regisseur Gracey wollte seinen Freund und Kollaborateur Williams nach eigener Aussage darstellen, wie der Sänger sich selbst sehe. Während der Arbeit am gemeinsamen Filmprojekt habe er ihn häufig von sich als „tanzenden Affen“ sprechen hören. Der Primat im Film mache das Publikum zudem empathischer für den Protagonisten. Und das scheint zu funktionieren: Zitternde Lippen, große glasige Augen oder ein breites, erzwungenes Lächeln im Gesicht des Affen bewegen – dem Kindchenschema und der Mimik der beiden Hauptdarsteller sei Dank.
Tobende Selbstzweifel vor der Bühne
In 136 Minuten erlaubt der Regisseur einen Blick hinter die Kulissen des Ruhms. Sex, Drugs and Rock‘n‘Roll sind bei Robbie Williams viele Jahre der traurige Standard, an dem er bald zu zerbrechen droht. Besonders eindrücklich stellt Gracey die Selbstzweifel dar, gegen die der Musiker weit mehr zu kämpfen hat als mit der Kritik anderer.
Immer wieder tobt es vor den Bühnen, auf denen Williams als Affe auftritt: Zwischen jubelnden Mädchen tun sich vergangene Versionen seiner Selbst auf. „Du bist ein Nichtsnutz“, „Du kannst das nicht“ oder „Du verdienst nicht zu leben“ fauchen sie und bedrohen den Musiker mit Messern. Sein halbes Leben strebt er nach der Anerkennung eines Vaters, der ihm nur dann wohlwollend gegenüber steht, wenn Williams Hits schreibt. Glücklich machen die nur seinen Vater.
Schonungslos ehrlich bleibt Robbie Williams dennoch auf Distanz
Graceys Biopic erzählt schonungslos ehrlich die Geschichte eines Weltstars, der trotz – oder wegen – des Ruhms nicht glücklich wird. Der Protagonist kommt dabei nicht immer gut weg: Er liegt verschwitzt am Boden, neben seinem eigenen Erbrochenen im Bett oder sitzt mit einer Heroinspritze im Arm auf dem Toilettendeckel, während seine Verlobte Schluss macht. „Better Man“ befriedigt eine Sensationslust, die Klatschmagazine und Paparazzi-Aufnahmen wecken. Gekonnt hebelt der Film sie gleich wieder aus. Weltstar Robbie Williams wird hinter der Maske eines Affen zum komplexen Charakter, den das Publikum nicht scheitern sehen möchte.
Dennoch hält die tierische Maske das Publikum auch auf Distanz: Robbie Williams spielt die späteren Jahre seines Lebens für ein breites Publikum nach, ohne je selbst gesehen zu werden. So bleibt der Zuschauer gerührt und ein wenig unbefriedigt zurück, als sei eine Fassade trotz all der Geständnisse aufrecht erhalten worden. Der Musiker ist noch immer nicht ganz greifbar.
Wer die ganze Geschichte bereits aus Interviews oder der vierteiligen Netflix-Dokumentation „Robbie Williams“ von 2023 kennt, ist mit einem Kinobesuch ab Donnerstag, 2. Januar, dennoch gut beraten. Wie bereits in „The Greatest Showman“ schafft Gracey einen Spielfilm, der sich mit ersterem in jeder Hinsicht messen kann: musikalische Einlagen, emotionaler Tiefgang, starke Bilder. Songs wie „Feel“ und „Angels“ vertiefen das Mitgefühl mit dem Protagonisten, Hits wie „Rock DJ“ und spektakuläre Tänze durch London bescheren den Zuschauenden einige Feel-Good-Szenen. Ohnehin wird Williams‘ tragische Geschichte durch sein loses Mundwerk aufgelockert – etwa wenn er das Publikum als „Pisser“ bezeichnet oder selbstironisch von seinem keuschen Lebensstil spricht. Der selbstsichere Entertainer, den Tausende Fans von der Bühne kennen, blitzt immer wieder durch.
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