Die Woche mit Lanz: Es geht um Ost-West-Konflikte, die zurückgetretene Familienministerin Anne Spiegel – und um die Zukunft der Arbeit.

Jahrelang wurde er nicht ernstgenommen und zum Teil übel verspottet – jetzt hat Markus Lanz „die wirkungsvollste politische Bühne, die es im Fernsehen gibt“ (Giovanni di Lorenzo), wurde für seine Talksendung mit dem Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie Information ausgezeichnet. Was ist da passiert?

Wie hat Lanz es geschafft, aus seinen viel kritisierten Schwächen („er fällt seinen Gesprächspartnern immer ins Wort“) viel gelobte Stärken („endlich fragt mal einer nach!“) zu machen? Lars Haider will es, wie der Moderator, genau wissen, und sieht sich deshalb ein halbes Jahr jede Sendung an. Hier lesen Sie seine Berichte über das Leben mit Lanz.

12. April (Gäste: Sicherheitsexpertin Florence Gaub, Journalistin Helene Bubrowski, Politikerin Klara Geywitz und Bauingenieurin Lamia Messari-Becker)

Anne Will ist schon in der Osterpause, Maybrit Illner wird diese Woche auch nicht senden. Markus Lanz macht weiter, wer die Zahl der Wochen im Jahr zählen will, in denen er mit seiner Talkshow aussetzt, braucht dafür gerade mal eine Hand. Und es ist auch nicht so, dass politisch Feiertagsruhe einkehrt, im Gegenteil: Zu den Debatten über den Krieg in der Ukraine und die Corona-Pandemie kommt der erste Rücktritt eines Mitglieds der neuen Ampel-Regierung.

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel von den Grünen hat in einem sehr emotionalen Auftritt vor der Presse noch versucht, ihr Amt zu retten, nachdem ihr unter anderem vorgeworfen war, als Umweltministerin in Nordrhein-Westfalen ausgerechnet direkt nach der Flutkatastrophe im Ahrtal vier Wochen Urlaub gemacht zu haben. Ihr Mann sei krank gewesen, sie haben vier Kinder, die stark unter den Corona-Maßnahmen gelitten hätten, dazu sei ihre persönliche Arbeitsbelastung gekommen: „Das war wirklich an einem Punkt, zum ersten Mal für uns als Familie, wo wir Urlaub gebraucht haben, weil mein Mann nicht mehr konnte“, hatte Spiegel gesagt.

Das Drama um Anne Spiegel: Zwischen Wut und Mitleid

„Als ich das gesehen habe, tat mir das wahnsinnig leid. Das ist ein Drama, das sich da abspielt“, sagt Helene Bubrowski von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bei Lanz. Aber Anne Spiegel sei nicht daran gescheitert, dass sie vier Kinder und einen kranken Mann hat, sie habe den Fehler gemacht, „an diversen Punkten nicht die Wahrheit gesagt zu haben: Mich ärgert, dass jetzt so getan wird, als ginge es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das ist es nicht.“ Außerdem stelle sich die Frage, warum eine Frau, die privat derart angespannt sei, den Posten der Bundesfamilienministerin annimmt: „Der Hauptvorwurf gegen Anne Spiegel ist, dass sie ihre Karriere verfolgt hat und immer darauf geschaut hat, wie sie dabei aussieht.“

Das Politikgeschäft sei ein hartes, das nicht immer auf persönliche Lebenslagen Rücksicht nehmen könne, „leider“, sagt die einzige Politikerin in der reinen Frauenrunde, Bundesbauministerin Klara Geywitz: „Ich würde mir wünschen, wenn ich mal in so einer Situation wäre, dass ich jemanden an meiner Seite hätte, der sagt: Schlaf noch einmal eine Nacht drüber.“

Warum fährt Olaf Scholz nicht nach Kiew?

Geywitz hätte mit Sicherheit jemanden an ihrer Seite, sie gilt ans engere Vertraute von Olaf Scholz, mit dem sie 2019 versucht hatte, Parteivorsitzende der SPD zu werden. Und natürlich hat Markus Lanz sie auch wegen des Kontakts zum Bundeskanzler eingeladen, um Geywitz stellvertretend die Frage zu stellen, die mindestens viele Journalistinnen und Journalisten in diesen Tagen bewegt: Warum macht es Scholz nicht wie der britische Premierminister Boris Johnson und die Präsidentin der Europäischen Union, Ursula von der Leyen, und fährt nach Kiew, um dort Solidarität mit der Ukraine zu demonstrieren? Die Bundestagsabgeordneten Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Michael Roth (SPD) und Anton Hofreiter (Grüne), alle gern gesehene Gäste bei Lanz, haben genau das gerade getan.

„Ich finde es sehr gut, dass die drei nach Kiew fahren“, sagt Geywitz, und Lanz unterbricht sie:

„Heißt das übersetzt, dass Sie es gut finden, dass Olaf Scholz nicht fährt?“

Geywitz: „Das habe ich nicht gesagt.“

Lanz: „So klang das gerade.“

Geywitz: „Ein deutscher Kanzler kann sicherlich nicht nach Kiew fahren, ohne dass es dann eine Erwartungshaltung gibt, was anschließend anders ist als vorher.“

Übersetzt heißt: Der Kanzler hält auch in Kriegszeiten wenig von Symbolpolitik, wie sie sein Kollege Johnson offenbar brillant beherrscht. Dabei „ist Krieg 50 Prozent Symbolik“, sagt die Sicherheitsexpertin Florence Gaub. Man könne in dieser Situation nicht sagen, dass man „nicht für Symbolpolitik ist“.

13. April (Gäste: die Musiker Campino und Marteria)

Als Zuschauer gewöhnt man sich daran, dass an Champions-League-Mittwochen Markus Lanz erst um Mitternacht beginnt, und dann auch nur eine Dreiviertelstunde dauert. Die Sendung ändert dadurch ihren Charakter, diesmal besonders, weil weder ein Politiker, noch ein Wissenschaftler oder ein Journalist eingeladen sind, sondern zwei Musiker, mit denen Lanz über Ost-West-Befindlichkeiten sprechen will.

Campino von den „Toten Hosen“ kommt aus Düsseldorf, Rapper Materia aus Rostock. Letzterer gibt zu „ein Putin-Verteidiger“ gewesen zu sein, „auch, weil man instinktiv immer die Ost-Seite verteidigt, weil viele Ungerechtigkeiten von der West-Seite auf der Welt passiert sind.“ Die spannendste Frage der Sendung stellt Markus Lanz bereits nach gut zehn Minuten. Es geht darum, was die drei Männer denn tun würden, wenn dieses Land, wenn Deutschland angegriffen würde. Marteria sagt: „Ich glaube, ich würde nicht abhauen, ich würde mich dann stellen, einfach für die Freiheit.“ Campino sagt: „Natürlich habe ich (früher) den Wehrdienst verweigert, und würde vielleicht heute, in dieser Situation, anders entscheiden.“

14. April (Gäste: Philosoph Richard David Precht, Ingenieurin Kenza Ait Si Abbou und Ökonomin Monika Schnitzer)

Die Sendung für den Gründonnerstag ist vor längerem aufgezeichnet worden. Als sie ausgestrahlt wird, dürften die Gäste alle längst im Osterurlaub sein. Richard David Precht, Podcast- und Duz-Kumpel von Markus Lanz, ist es auf jeden Fall. Der Philosoph hat ein neues Buch geschrieben, es heißt „Freiheit für alle. Das Ende der Arbeit, wie wir sie kannten“.

Und bei Lanz spricht man deshalb über große Themen unserer Zeit, die wichtig sind, für die sich angesichts des Krieges gerade nur kaum jemand interessiert: Wie lange müssen wir arbeiten? Ist die Rente noch zu retten? Wer schließt die Lücke auf dem Arbeitsmarkt, wenn jetzt nach und nach die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen – und welche Rolle könnten dabei Roboter spielen, zum Beispiel in der Altenpflege, wo es schon heute besonders viele offene Stellen gibt? Bei der Suche nach Antworten auf genau die letzte Frage erfährt man viel über Markus Lanz, der zuvor schon nicht verstehen konnte, dass es Restaurants gibt, in denen die Gäste mangels menschlicher Kellner von Maschinen bedient werden.

Jetzt fragt er Kenza Ait Si Abbou, eine Expertin für Künstliche Intelligenz, als es um die Betreuung von Menschen in Altenheimen geht: „Sie sagen, Roboter werden das machen?“

Die Expertin antwortet: „Wenn ein Roboter hilft, die Senioren zu bewegen, Medikamente zu sortieren…“

Lanz: „Oh mein Gott. Solange ich noch kann, gehe ich ins Restaurant und dann bringt mir ein Roboter das Gläschen stilles Wasser, das ich bestellt habe. Und danach unterhält mich der Roboter auf diese Art und Weise im Altenheim. Ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass das die Welt ist, die ich mir so für mich vorstelle.“

Precht geht dazwischen: „Als Assistent ist der Roboter in der Altenpflege sinnvoll, als Ersetzer menschlicher Zuwendung ist er eine humane Katastrophe.“

Ait Si Abbou: „Es gibt heute schon Roboter, die Empathie simulieren…“

Lanz: „Oh mein Gott.“