Hamburg. Vor seiner letzten Sendung sprach der 66-jährige Nachrichten-Moderator über Gundula Gause, vergebliche Anfragen und sein neues Leben.

An diesem Donnerstagabend ist Schluss: Nach mehr als 3000 „heute journal“-Sendungen im ZDF verabschiedet sich Moderator Claus Kleber von den Zuschauern. Sein Nachfolger wird Christian Sievers.

Im großen Interview erzählt der 66-Jährige Kleber, warum er nie „Guten Abend, meine Damen und Herren“ sagen wollte, wie Politiker bei Antworten auszuweichen versuchen und was er eigentlich beim Abspann der Sendung mit Gundula Gause bespricht ...

Haben Sie Bammel vor der letzten Sendung?

Das klingt so final, „die letzte“! Ich will versuchen, cool zu bleiben, bringe das aber wahrscheinlich nicht hin. Bis heute habe ich es ganz gut geschafft, das Thema zu verdrängen. Aber irgendwann wird mir schon klar werden, dass dieses glückliche Kapitel meines Berufslebens und überhaupt meines Lebens zu Ende ist. Mit dem Moment muss ich dann fertig werden. Hoffentlich nicht, während die Kamera voll auf mich gerichtet ist.

Kommt jetzt eine Auszeit?

Ich werde mich erst mal über das riesige Geschenk freuen, das ich bekomme: mehr als 160 Abende im Jahr, die plötzlich frei sind. Das ist schon eine heftige Zahl. Da will ich das Phänomen kennenlernen, von dem alle so viel reden, soziales Leben, Freundschaften – solche Sachen werde ich ausprobieren.

Werden Sie weiter als Journalist arbeiten?

Ja. Was unbedingt weitergehen soll, sind die Dokumentationen, die mir von Anfang an am Herzen lagen. Weil ich die Welt kennenlernen durfte. Nicht wie ein Tourist, sondern wie ein Mensch, der in das alltägliche Leben eintaucht. Die Geschichten habe ich immer in den Kalender gezwängt, auch wenn ich überhaupt keine Zeit dafür hatte. Das wird hoffentlich anders, leichter.

Werden Sie auf der Straße angesprochen?

Ja, ständig. Auf der Straße oder in Geschäften ist das Thema jetzt immer, dass ich ja bald aufhöre mit dem „journal“. Das gibt jedes Mal einen Stich. Aber die Kommentare sind fast immer anerkennend und freundlich. Das, was wir in den sogenannten „Sozialen Medien“ und auch in der Post finden, tönt oft anders.

Sind Politiker-Interviews schwieriger geworden?

Ich weiß nicht, ob schwieriger das richtige Wort ist. Es breitet sich halt dieser von sogenannten Medien-Beratern getriebene Ungeist des Fragen-nicht-Beantwortens und -Ausweichens immer mehr aus. Wahrscheinlich kriegen die inzwischen alle aus derselben Denkschule irgendwelche Schulungen, die ihnen einreden: Wenn Sie die Frage vermieden haben, haben Sie gewonnen. Das ist aber Quatsch. Die Zuschauer/-innen merken das ganz genau und sind verstimmt. Es gibt aber auch Erneuerung. Jemand wie Robert Habeck interessiert sich für die Fragen und versucht darauf einzugehen. Er hat nicht immer eine wirklich überzeugende Antwort, aber er lässt sich auf das Gespräch ein. Auch den Zuschauern gefällt das besser, weil sie ihren Vertreter, den fragenden Journalisten, besser behandelt fühlen von diesem Politiker.

Wen wollten Sie immer einmal interviewen?

Ich hatte mich vergeblich um den Papst bemüht. Und Fidel Castro ist gestorben, bevor ich die Chance hatte.

Wären Sie insgeheim nicht doch gerne „Spiegel“-Chefredakteur geworden?

Ich habe die Gespräche mit dem „Spiegel“ sehr ernsthaft geführt, und ich war zwei Zentimeter weg von der Unterschrift. Der Vertrag war fertig. Dann hat es mir das ZDF praktisch unmöglich gemacht zu gehen. Mit einem wirklich guten Angebot. Ich meine jetzt nicht mein Gehalt. Das war in drei Minuten erledigt. Angebot, angenommen, fertig. Es ging um die Zukunft des „heute journals“: Sendezeiten, Personal, Spielregeln. Das hat gepasst. Wir haben es, glaube ich, beide, das ZDF und ich, nicht bereut.

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Wenn Sie in die Kamera schauen und zu Millionen sprechen, was denken Sie?

An eines denke ich wirklich nie: dass da hinter der Linse Millionen sind. Ich habe meine Co-Moderatorin Gundula Gause neben mir, drei Kameraleute, einen Aufnahmeleiter und einige Technik-Kolleginnen um mich herum. Im Grunde spreche ich mit denen, die mit mir im Raum sind. Deshalb habe ich nie „Guten Abend, meine Damen und Herren“ gesagt. Das würde ich bei Ihnen im Wohnzimmer auch nicht sagen. Ich sage lieber: „Guten Abend, da ist was Interessantes passiert, heute, in Berlin.“ Das ist keine Nebensache. Das beeinflusst die eigene Haltung über die Begrüßung hinaus.

Beim Abspann des „heute journals“ sieht man immer, dass Sie mit Ihrem Co-Moderator oder Ihrer Co-Moderatorin sprechen. Reden Sie über die Sendung?

Meistens ja. Es ist auch schon vorgekommen, dass wir uns darüber amüsiert haben, noch im Schaufenster zu stehen, obwohl wir nichts mehr zu sagen haben: „So, jetzt werden sich wieder alle fragen, worüber wir sprechen.“ Meistens entlädt sich aber aufgestaute Spannung. Es sind ja vor jeder Sendung noch Dinge in der Luft. Manche Beiträge kommen erst rein, wenn die Sendung schon begonnen hat. Dann macht sich Erleichterung breit: „Mensch, das Stück aus München ist trotz allem richtig toll geworden“ oder: „Oh mein Gott, das Stück aus sowieso war doch genau so konfus, wie wir das befürchtet hatten.“

Was ist Ihr Ritual nach der Sendung?

Es gab früher die „Flurschelte“, als es im Haus noch Starkult um die Moderatoren gab. Die Mannschaft versammelte sich, und Moderatoren brüllten los, was alles wieder für ein Scheiß passiert sei … So ungefähr wird mir das berichtet, aus den wilden alten Tagen. Inzwischen ist es eher eine „Flurstreichelei“. Wir trösten uns, wenn Sachen nicht geklappt haben. Wir sagen, was das nächste Mal besser sein muss. Es herrscht ein versöhnlicher Feierabend-Geist. Dann geht man nach Hause, trinkt noch ein Glas. In meinem Fall: einen Schluck Single Malt Whisky, dazu ein Stück dunkelste Schokolade.

Was passiert mit der ZDF-Garderobe von Claus Kleber?

Ich darf die Anzüge, die das ZDF zur Verfügung gestellt hat, zu einem Ausverkaufspreis kaufen. Davon werde ich ein paar mitnehmen. Ich habe, glaube ich, seit vielen Jahren dieselben neun Anzüge. Die Hälfte wird reichen.

Wie ein Outlet-Besuch…

So etwa. Aber Second Hand. Da sind halt vertraute Sachen, die noch einigermaßen sitzen. Außerdem: Wer will die denn sonst?

„heute journal“ 21.45 Uhr, ZDF

ZUR PERSON: Claus Kleber präsentiert seit fast 20 Jahren als Moderator die ZDF-Hauptnachrichten „heute journal“. Der 66-Jährige promovierte Jurist ist seit Jahrzehnten als Journalist für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk tätig. Viele Stationen davon waren im Ausland, darunter war er zeitweise Leiter der ARD-Studios in Washington und in London. Der Journalist hat darüber hinaus mehrere größere Dokumentationen produziert. Geboren wurde Kleber in Reutlingen.