Hamburg. Markus Heidemanns, Chef der Fernsehmacher, spricht über das Erfolgsgeheimnis der Talkshow und verrät, welche Gäste sich zieren.

"Markus Lanz“ ist in den vergangenen Jahren von einer ganz normalen zu einer der politischsten Talkshows in Deutschland geworden. Der Fragestil des Gastgebers ist bei Politikern inzwischen genauso gefürchtet wie Interviews mit Marietta Slomka aus dem „heute-journal“, 2021 gab es den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie Information.

Der Mann, der neben Lanz maßgeblich für diese Erfolg verantwortlich ist, ist Markus Heidemanns, Chef der „Fernsehmacher“, die ihren Firmensitz in Altona haben. In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht der 57-Jährige über den Verzicht auf Studiopublikum, Gäste, die nicht zu „Markus Lanz“ kommen, die unglückliche Sendezeit, Angebote anderer TV-Sender – und einen besonderen Satz. Zu hören unter www.abendblatt.de/entscheider

Das sagt Markus Heidemanns über…

… die Entwicklung von „Markus Lanz“ zu einer politischen Talksendung, in der (ungewöhnlich) hart nachgefragt wird:

„Die kritischen Herangehensweisen in Gesprächen haben bei uns schon länger besser funktioniert als in anderen Sendungen, weil wir einen Moderator haben, der sich mehr traut als andere. Die Entwicklung der Sendung von einem Unterhaltungs- zu einem eher politischen Format war ein schleichender Prozess, der sich über einige Jahre zog.

Wir haben irgendwann angefangen, vermehrt Politiker in die Sendung zu holen, die Interviews wurden länger, und wir haben dazu vermehrt politische Journalisten eingeladen. Diese Klammer, die es früher in Talksendungen nicht gegeben hat, hat sich als wegweisend herausgestellt: Denn mit dem Politikjournalisten kann man in der Sendung praktisch einen Live-Faktencheck machen.“

… den Satz „Das glaube ich Ihnen nicht“:

„Man bezichtigt einen Menschen der Lüge, wenn man diesen Satz sagt. Das vor einem Millionenpublikum zu tun, erfordert schon Mut. Uns ist es wichtig, Tacheles zu reden, wenn wir das Gefühl haben, dass jemand, insbesondere Politiker, nicht die Wahrheit sagen. Als Markus den Satz zum ersten Mal ausgesprochen hat, war das ein besonderer Moment.

Das musst du erstmal machen, genauso, wenn du einem Politiker entgegnest, dass das Quatsch ist, was er gerade gesagt hat. Mit dieser eher hemdsärmeligen Sprache hast du sofort eine Wirkung. Ein guter Talk ist wie ein Boxkampf von Ali früher, es wechseln sich leichte, tänzelnde Phasen mit harten Treffern ab. Wobei bei uns niemand K.O. gehen soll.“

… den Standort Hamburg und die Suche nach Gästen:

„Wir haben einen Standortnachteil gegenüber Talksendungen, die in Berlin aufgenommen werden. Zu Anne Will etwa können Politiker zu Fuß gehen. Wenn sich ein Spitzenpolitiker entscheidet, zu uns zu kommen, dann kostet ihn das schon sechs, sieben Stunden. Das ist ein Nachteil, hat bei uns aber dazu geführt, dass wir aus der Not eine Tugend gemacht haben: Wir suchen immer neue Gesichter, die wir einladen können. So haben wir unter anderem den Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher entdeckt, der ein sehr guter Gast für eine Sendung ist, weil er sehr klar spricht.“

… Gäste, die nicht oder nicht gern zu „Markus Lanz“ kommen:

„Angela Merkel war nie da, obwohl wir sie mehrmals angefragt haben, die geht offensichtlich nur zu Frau Will. Das fand ich sehr schade, weil ich sie schätze, und weil ich glaube, dass ein Auftritt bei Markus Lanz auch für sie in den vergangenen Jahren interessant gewesen wäre.

Und dann gibt es Gäste, die kommen, wenn sie einmal bei uns waren, eher ungern wieder. Saskia Esken war lange nicht da, nach der Geschichte mit Olaf Scholz damals, und auch Annalena Baerbock traut sich nicht. Und Christian Lindner ist nicht mehr in der Sendung gewesen, seit ihn dort einmal David Hasselhof auf den Pott gesetzt hat.“

… die Frage, wie man als Moderator den neuen Bundeskanzler Olaf Scholz knackt:

„Wir haben es schon geschafft, ihn zum Lachen zu bringen, und das ist für ihn in einer Talkshow sehr ungewöhnlich. Und wir haben ihm ein, zwei Sätze entlockt, die nicht aus der Stehsatz-Walze gekommen sind. Aber es ist und bleibt schwierig, und ich finde es schade, dass er so spricht, wie er spricht. Denn ich möchte als Bürger und Wähler dieses Landes Antworten auf meine Fragen bekommen.“

… die entscheidende Veränderung bei „Markus Lanz“ – den Verzicht auf das Studiopublikum:

„Eine Talksendung ohne Publikum ist die reinste und beste Form, unter anderem, weil Politiker nicht die Chance haben, mit einem schnellen populistischen Spruch oder einer witzigen Bemerkung die Zuschauer auf ihre Seite zu bringen und so einer kritischen Nachfrage auszuweichen. Ich bin nach der ersten Sendung ohne Publikum zu Markus Lanz gegangen und habe gesagt: Wir laden nie wieder Zuschauer ein, die Sendung war viel besser und klarer. Was übrigens auch daran liegt, dass es keinen Applaus gibt. Denn Applaus verlangsamt eine Sendung.“

… die Sendezeit, die erstens sehr spät und zweitens nie gleich ist:

„Wir kämpfen seit langem mit den Zeiten, das war schon so, als Johannes B. Kerner die Sendung noch moderiert hat. Aber so, wie sich unsere Sendung entwickelt hat, die fast immer eines der großen Themen aus dem heute-journal aufgreift, wäre es für mich folgerichtig, wenn „Markus Lanz“ immer direkt danach beginnen würde, also um 22.15 Uhr. Marietta Slomka oder Claus Kleber könnten direkt zu Markus überleiten, das wäre eine starke Klammer.“

… die Aufzeichnungen:

„Normalerweise zeichnen wir am späten Nachmittag beziehungsweise frühen Abend dienstags eine Sendung auf, die wir am selben Tag ausstrahlen, und mittwochs zwei Sendungen, die dann am Mittwoch und am Donnerstag kommen. Wenn es die Lage erfordert, können wir natürlich auch am jeweiligen Tag aufzeichnen. Live könnten wir nicht senden, dass wäre für unsere Gäste, gerade für die Politiker aus Berlin, zu spät.“

… Angebote anderer Sender:

„Es gab sehr gute Angebote, aber wir haben sie nicht angenommen, und ich glaube, das war eine gute Entscheidung. Ein Wechsel von einem Sender zu einem anderen ist nicht ganz so einfach, wie man sich das vielleicht vorstellt. Viele TV-Größen sind daran gescheitert. Das Interesse an Formaten wie dem unsrigen ist inzwischen aber auch bei Privatsendern viel stärker geworden, weil sie sehen, dass „Markus Lanz“ auch in jüngeren Zielgruppen funktioniert – und weil das Interesse an Information enorm zugenommen hat.

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Der reine Senderwechsel eines Moderators funktioniert nach meiner Meinung übrigens kaum. Die Zuschauer schalten für den Inhalt ein, nicht für denjenigen, der ihn präsentiert. Der Inhalt muss zum Sender passen, und umgekehrt.“

… die Frage, warum er selbst nicht im Fernsehen zu ist:

„Ich freue mich sehr, dass ich all die tollen Dinge, die das Fernsehen so mit sich bringt, erleben darf, aber die negativen nicht. Mich kennt kein Mensch, und das finde ich ganz gut so. Dadurch, dass ich nicht vor der Kamera zu sehen bin, kann ich sehr viele Dinge hinter der Kamera machen, das bereitet mir große Freude.“

Der Fragebogen: Ein Förderer war Harald Schmidt

Was wollten Sie als Kind werden und warum?

Bei der Befragung zur Einschulung fiel mir nur „Feuerwehrmann“ ein. Inspiriert von Gerd Weigner, der vor mir befragt wurde und „Polizist“ gesagt hatte …

Was war der beste Rat Ihrer Eltern?

Mir keine Ratschläge zu geben.

Wer war beziehungsweise ist Ihr Vorbild?

Vorbilder waren mir immer suspekt. Aber seit dem Kampf Ali gegen Frazier „Thrilla in Manila“ (durfte ich mit elf Jahren vor dem Fernseher verfolgen) bewundere ich Muhammad Ali.

Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?

… dass sie sich fragen, wo das enden soll. Manchmal überlege ich, das alte Wetteraner Telefonbuch rauszusuchen, um den einen oder anderen Lehrer darüber zu informieren, wie es vorerst geendet ist.

Wann und warum haben Sie sich für den heutigen Beruf entschieden?

Irgendwie hat sich der Beruf für mich entschieden.

Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?

Die Chef-Redakteure Michael H. Spreng und Udo Röbel, für den TV-Weg Harald Schmidt, Jörg Grabosch und Johannes B. Kerner.

Auf wen hören Sie?

Auf meinen Bauch.

Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefs bewundert haben?

Ehrlichkeit und Kreativität.

Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?

Alles besser zu wissen.

Was sind die Prinzipien Ihres Führungsstils?

Offenheit, das Team an allen internen und externen Entwicklungen teilhaben zu lassen.

Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?

Es war nie Antrieb für irgendeine Entscheidung im Berufsleben.

Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern?

Die Fähigkeit, Kritik zu üben und zu äußern, und die Fähigkeit, sie auch zu ertragen. Teamfähigkeit!

Worauf achten Sie bei Bewerbungen?

Den Lebenslauf abseits von Zeugnissen.

Duzen oder siezen Sie?

Duzen.

Was sind Ihre größten Stärken?

Am besten die Kollegen fragen …

 Was sind Ihre größten Schwächen?

Auch das beantworten besser Kollegen …

Welchen anderen Entscheider würden Sie gern näher kennenlernen?

Die meisten waren im Laufe der Zeit in der einen oder anderen Sendung.

Was würden Sie ihn fragen?

Das überlasse ich den Moderatoren, bereite sie lieber vor …

Was denken Sie über Betriebsräte?

Ich sage immer: Wenn es den Wunsch nach einem Betriebsrat gibt, trete ich selber an und bin guten Mutes, die Wahl auch zu gewinnen …

Wann haben Sie zuletzt einen Fehler gemacht?

Wahrscheinlich bei der Beantwortung der letzten Frage gerade.

Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?

Der Wechsel ins TV.

Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?

Mal 25, mal 50. Aber eigentlich immer, wenn eine neue Idee kommt …

 Wie gehen Sie mit Stress um?

Ich empfinde ihn immer positiv; deshalb lass ich ihn gewähren.

Was wollten Sie immer schon sagen?

Danke für das Gespräch …