Hamburg. Die österreichische Schauspielerin Christiane Hörbiger wird mit der Goldenen Kamera für ihr Lebenswerk geehrt – und dreht direkt weiter.
Eine ihrer besten Rollen wollte sie zuerst eigentlich gar nicht annehmen: Die Freya von Hepp, angeblich Nichte von Hermann Göring und „Frau Reichsmarschall“ in der Satire um die Hitler-Tagebücher „Schtonk“. Dieser Part sei geschrieben als „geile alte Nazisse, die sich die Männer nimmt. Das kann ich nicht gut“, sagte sie damals der „Zeit“. Konnte sie aber doch und spielte die Frau, die von Götz George in dem Film aus dem Jahr 1992 angeschmachtet wurde, mit „kaltäugiger Härte“ und der „Süffisanz einer bösen Wiener Gnädigen“. Regisseur Helmut Dietl hatte mit der „Nanni“, wie er sie nannte, auf die Richtige gesetzt. Das fanden die mehr als zwei Millionen Kinobesucher damals wohl auch. Jetzt bekommt die 79 Jahre alte Österreicherin die Goldene Kamera für ihr Lebenswerk.
Dass sie einmal in diesem Beruf landen würde, war keine Überraschung, denn sie stammt aus einer Wiener Schauspielerdynastie. Wie ihre Eltern Paula Wessely und Attila Hörbiger begann sie ihre Karriere am Wiener Burgtheater, anders als ihre Schwestern Elisabeth Orth und Maresa Hörbiger blieb sie aber nicht dort, sondern wurde Ensemblemitglied am Schauspielhaus in Zürich. Auch ihr Onkel Paul Hörbiger arbeitete in diesem Beruf.
In fünf Filmen stand sie mit Götz George vor der Kamera
Der Hamburger Produzent Markus Trebitsch hat seit 2003 acht Filme mit ihr gedreht. Ihre erste gemeinsame Arbeit war „Alpenglühen“. „Ich schätze an ihr ihre Leidenschaft und Disziplin für ihren Beruf“, so Trebitsch. „Sie ist außergewöhnlich und absolut uneitel in der Auswahl ihrer Rollen.“ Sie habe für ihn schon eine Alkoholikerin, eine Gelähmte und eine Frau, die auf der Straße lebt, gespielt. In der kommenden Woche beginnen die Dreharbeiten für den neunten gemeinsamen Film. In der Komödie „Einmal Sohn, immer Sohn“ wird sie mit Sebastian Bezzel vor der Kamera stehen.
„Aus unserer beruflichen Zusammenarbeit hat sich eine innige Freundschaft entwickelt“, sagt Trebitsch. „Sie ist warmherzig und immens klug. Wenn wir allein sind, laufen uns oft die Tränen herunter, weil wir über so viele Dinge
lachen können. Ihr Humor ist herrlich.“ Sie habe am Theater hart gearbeitet und private Schicksalsschläge hingenommen. „Das muss man erst mal verdauen können. Ich wünsche ihr noch viele Jahre Freude und Glück.“ Mit Götz George und dem Hamburger Regisseur Hajo Gies hätten sie ein außergewöhnlich gut funktionierendes Quartett gebildet, so Trebitsch. Die Degeto hätte ihnen viele Projekte ermöglicht.
Ihre erste Filmrolle soll sie eher widerwillig angenommen haben
In fünf Filmen stand Hörbiger mit George vor der Kamera. In einem aktuellen Interview in der „Hörzu“ nennt sie ihn als Filmpartner, der sie am meisten beeindruckt habe. „Wir standen uns immer nahe.“ Sie kann da ganz gut vergleichen, denn im Laufe ihrer langen Karriere, die sie im 17. Lebensjahr begann, hat sie mit vielen bekannten und bedeutenden Schauspielern gearbeitet.
Ihre erste Filmrolle soll sie allerdings eher widerwillig angenommen haben – das war 1955 „Der Major und die Stiere“. Zunächst konnte man sie in Heimatfilmen wie „Der Edelweißkönig“, „Der Meineidbauer“ oder „Kronprinz Rudolfs letzte Liebe“ sehen. Nur sporadisch tauchte sie in dieser Zeit im Fernsehen auf. 1985 durchbrach sie ihre Zurückhaltung und bekam für ihre Rolle als Judith im „Donauwalzer“ gleich den Bayerischen Filmpreis. Einem großen Publikum wurde sie danach durch die TV-Serie „Das Erbe der Guldenburgs“ bekannt, in der sie eine zynische Gräfin spielte. Hörbiger agiert oft elegant und mit Grandezza, die sie manchmal mit einer Prise Weltschmerz vermischt.
Sie möchte per Schiff von New York nach Hamburg fahren
In den 90er-Jahren beschwerte sie sich einmal darüber, dass die Rollenauswahl für sie immer eingeschränkter werde. „Manchmal krieg’ ich eine Wut, dass Frauen über 50 in den Stücken immer nur die Bösen sind.“ Dabei sollten auch noch lustige Rollen auf sie zukommen, wie beispielsweise die Oma in der Neuverfilmung von „Der Räuber Hotzenplotz“, die sie genüsslich spielte. Aber natürlich haben auch die böseren Parts ihren Reiz – wie die Titelfigur der Claire Zachanassian aus Friedrich Dürrenmatts Klassiker „Der Besuch der alten Dame“, in der man sie 2008 sehen konnte. Richtig gemein war sie auch als Giftmischerin in „Die Gottesanbeterin“.
Viel Respekt bekam Hörbiger, als sie im vergangenen Jahr kurz nach dem Tod ihres langjährigen Lebensgefährten Gerhard Tötschinger, den sie gerade heiraten wollte, im Sterbehilfe-Drama „Die letzte Reise“ zu sehen war und dort die Sätze sagte: „Ich hatte ein Leben. Es war wunderschön. Doch jetzt ist es vorbei.“ Später fragt sie ihre Filmtöchter: „Was soll ich noch hier?“ 1978 war bereits ihr erster Ehemann gestorben.
Man weiß von ihr, dass sie gern schwimmt und dass sie oft mit ihren Möpsen spazieren geht, die Vicco und Loriot heißen. In ein Altersheim möchte sie niemals einziehen, sagt sie. Vielleicht kann sie sich noch den Wunsch erfüllen, den sie gegenüber der „Bunten“ geäußert hat: „Ich möchte mit dem Schiff von New York nach Hamburg fahren, nicht umgekehrt. Ich träume davon, von der Freiheitsstatue loszufahren und in Hamburg anzukommen.“