Von den Honoraren der Fußball-Experten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen können Nachrichtensprecher nur träumen – trotz Traumquoten.
„Wenn man fleißig ist, verdient man gut, sehr gut sogar. Aber verglichen mit dem Promistatus, den man hat, sind das keine Wahnsinnshonorare.“ Mit diesen Worten beschrieb Dagmar Berghoff, Grande Dame der „Tagesschau“ im Ruhestand und vor 40 Jahren erste Sprecherin der ARD-Nachrichtensendung, kürzlich in einem Interview die Einkommenslage der Sprecherinnen und Sprecher. In Zeiten, in denen TV-Moderatoren und Sport-Kommentatoren gern astronomische Verdienste angedichtet werden – in diesen Tagen wurde öffentlich, dass die EM-Experten Oliver Kahn und Mehmet Scholl für ihre Einsätze hohe sechsstellige Summen erhalten sollen – klingt Berghoffs Einschätzung erst einmal erstaunlich.
„Tagesschau“-Sprecher sind die Spitzenreiter am Berühmtheitshorizont des Fernsehpublikums. Mehr journalistische Glaubwürdigkeit geht kaum. Mehr (Nachrichten-)zuschauer auch nicht. Die „Tagesschau“ kommt im bisherigen Jahresschnitt auf 10,05 Millionen Zuschauer (inklusive aller Dritten Programme), „heute“ um 19 Uhr im ZDF erreicht im Schnitt pro Ausgabe 3,79 Millionen Zuschauer.
Dementsprechend üppig schätzt die Öffentlichkeit die Honorare der Nachrichtenstars ein. Doch hier lohnt sich ein genauer Blick. Denn was die Damen und Herren monatlich zur Verfügung haben, hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Längst nicht jeder teilt den Einkommensstatus von „heute journal“-Anchorman Claus Kleber, der als bestbezahlter deutscher Nachrichtenmann gilt und weitaus mehr verdienen soll als der ZDF-Intendant (Thomas Bellut bekommt rund 320.000 Euro jährlich). Klebers Kollegin Marietta Slomka soll immerhin 280.000 Euro jährlich bekommen, so die „Süddeutsche Zeitung“.
238,01 Euro für eine „Tagesschau“
Fest steht: Die Verdienstanalyse von Ex-„Tagesschau“-Ikone Berghoff hat an Gültigkeit kaum eingebüßt. So sind auch heute noch sämtliche Sprecherinnen und Sprecher der „Tagesschau“ freie Mitarbeiter. Neben ihrer Tätigkeit für die ARD dürfen (man könnte auch sagen: müssen) sie also für andere Arbeitgeber tätig werden. Die Honorare bei der „Tagesschau“ richten sich nach Zahl, Dauer und Art der Einsätze. So wird die Sprechertätigkeit in der 20-Uhr-„Tagesschau“ mit 238,01 Euro honoriert; für eine Kurzausgabe (bis vier Minuten) sind es laut ARD 142,62 Euro. Nicht gerade das, was man sich unter horrenden Summen vorstellt.
Die Gemeinschaftsredaktion ARD-aktuell produziert pro Woche bis zu 70 Ausgaben der „Tagesschau“ im Ersten, zusätzlich sämtliche Sendungen für den Nachrichtenkanal tagesschau24. Somit kann sich das Monatseinkommen eines Sprechers auf einige Tausend Euro summieren – das verdient ein Fußball-Experte mit einem einzigen Spiel. Mehmet Scholl soll laut „Bild“-Zeitung im Jahr auf rund 800.000 Euro kommen.
Eine Zahl, die für die kaum weniger bekannten Nachrichtensprecher in der Regel unerreichbar ist. Auch wenn sie versuchen (können), ihre TV-Bekanntheit bei Firmenevents und Moderationen privater Veranstalter zu Geld zu machen. Das ist erlaubt und Teil des Geschäfts der Fernsehgesichter, aber nicht unheikel. Denn natürlich sollen andere berufliche Tätigkeiten die Autorität und Seriosität der „Tagesschau“ nicht untergraben.
„Tagesschau“-Sprecher dürfen keine Werbung machen
Kai Gniffke, Erster Chefredakteur ARD-aktuell, sagt dazu: „Grundsätzlich kann man freien Mitarbeitern aus arbeitsrechtlichen Gründen weitere Betätigungen nicht untersagen. Wir raten unseren freien Mitarbeitern, keine Engagements anzunehmen, die ihre Unabhängigkeit infrage stellen. Nach den Regelungen des NDR dürfen die Sprecher der ,Tagesschau‘ keine kommerzielle Werbung machen wie zum Beispiel Werbespots oder Printkampagnen.“ Unvergessen die Aufregung im Sender, als „Tagesschau“-Sprecherin Judith Rakers sich im vergangenen Jahr bei der Eröffnung einer McDonald’s-Filiale am Frankfurter Flughafen fotografieren ließ. Kollegin Linda Zervakis äußerte sich im gemeinsamen Interview mit Dagmar Berghoff über Nebentätigkeiten wie folgt: „Das man keine Werbung macht, ist klar.“
Das Dilemma ist schwer aufzulösen: Einerseits verlangt eine Nachrichtenbastion wie die „Tagesschau“ nach Exklusivität von senderprägenden Mitarbeitern. Andererseits ist es ja nicht so, dass die Moderation einer Preisverleihung in irgendeiner Form anrüchig wäre. Warum sollen gute Nachrichtensprecher und Moderatoren – und allzu viele gibt es für diesen anspruchsvollen Job nicht in diesem Land – ihr Talent nicht der Nachfrage entsprechend einsetzen?
Hört man sich in Agenturkreisen um, teilen sich die Betätigungsfelder für die Betroffenen in drei Sparten. Am lukrativsten sind Auftritte für die Industrie, für Banken, Versicherungen, die Automobilbranche. Für die Stars unter den Nachrichtensprechern können für derlei Engagements Tages- oder Abendsätze von bis zu 15.000 Euro aufgerufen werden. Auch die Moderation von Diskussionsrunden etwa in Ministerien kann sich finanziell lohnen. Hierbei wird großer Wert gelegt auf einen „journalistischen Hintergrund“ – den man sich gegebenenfalls auch mehrere Tausend Euro kosten lässt.
Kulturbereich am schlechtesten bezahlt
Am schlechtesten bezahlt ist der notorisch unterfinanzierte Kulturbereich – dafür ist die Genehmigung beim zuständigen Sender in der Regel unproblematisch, der persönliche Spaßfaktor oft am größten. Der künftige „Tagesthemen“-Moderator Ingo Zamperoni ließ es sich nicht nehmen, den Hamburger Auftritt von Bestsellerautor Stephen King zu moderieren. Tom Buhrow, damals noch „Tagesthemen“-Moderator, ließ sich für die Moderation einer John-Grisham-Lesung nicht lange bitten. Caren Miosga, die ihre Auftritte jenseits der „Tagesthemen“ genau dosiert, moderierte im April den renommierten Nannen Preis für den Verlag Gruner+Jahr. Für eine solch aufwendige, mit vielen Proben verbundene Gala können, so die Schätzungen, mehr als 8000 Euro gezahlt werden.
Eine Agenturinhaberin, die Moderatoren und Schauspieler vertritt, fasst die Honorarfrage so zusammen: „Je weiter weg der Job von der eigenen Person ist, desto höher sollte die Aufwandsentschädigung sein.“