Hamburg. Christian Krug spricht mit dem Abendblatt über die Ausrichtung der Verleihung, juristischen Ärger und den Satiriker Jan Böhmermann.
An diesem Donnerstag wird nach einem Jahr Pause im Curio-Haus der Nannenpreis verliehen, einer der wichtigsten Journalistenpreise der Republik. Auch das Interaktiv-Team der „Berliner Morgenpost“, die wie das Abendblatt in der Funke Mediengruppe erscheint, gehört zu den Nominierten – in der Kategorie Web-Reportage. Gastgeber des Nannenpreises ist „Stern“-Chefredakteur Christian Krug.
Hamburger Abendblatt : Herr Krug, mit welchem Gefühl sehen Sie dem Abend der Preisverleihung entgegen?
Christian Krug: Ich freue mich auf die Verleihung. Auch, weil wir viel Arbeit in die Ausrichtung des Preises gesteckt haben. Wir haben Abstriche beim Rahmenprogramm gemacht – aber nach einem Jahr Abstinenz mit reichlich Zeit für Überlegungen stand für uns fest: Wir wollen uns auf die Präsentation der journalistischen Inhalte konzentrieren.
Der Nannenpreis hat also nicht nur einen neuen Namen, er ist auch inhaltlich merklich anders?
Krug : Wir wollten eine spürbare Veränderung. Und wir wollten den Nominierten die größtmögliche Bühne bieten. Denkt man an die vergangenen Jahre zurück, kann man sich oft an die Inszenierung erinnern, nicht aber an die Preisträger. Das soll anders werden.
Statt wie bislang 1200 Gäste sind nur rund 550 Gäste ins Curio-Haus eingeladen. Eine schwere Entscheidung?
Krug : Es gibt in Hamburg nur wenige Veranstaltungsorte, an denen man eine große Preisgala feiern kann. Auch mit Blick auf die Gästeliste mussten wir harte Einschnitte vornehmen. Und wir wollten den Nannenpreis unbedingt in Hamburg feiern. Hamburg ist der Stammsitz unseres Verlags Gruner + Jahr und der Stammsitz des kritischen Journalismus. Die Stadt hat sich immer auch durch ihre Haltung hervorgetan, den Mächtigen nicht nach dem Mund zu reden. Der Geist des Nannenpreises passt sehr gut nach Hamburg.
Gegen einen „Stern“-Beitrag, der in der Kategorie Investigation nominiert ist, gibt es eine einstweilige Verfügung. Ist es vorstellbar, dass ein Gewinnertext mit geschwärzten Passagen verbreitet wird?
Krug : Bei dem Beitrag, auf den Sie anspielen, gibt es eine einstweilige Verfügung, die sich lediglich auf einen Punkt in dem ganzen Beitrag bezieht, der am Kern der Recherche nichts ändert. Die Hauptvorwürfe bleiben unbestritten und dürfen unverändert weiterveröffentlicht werden. Darüber hinaus hat dieser „Stern“-Bericht sogar dafür gesorgt, dass das LKA Hamburg und die Staatsanwaltschaft Hamburg die Ermittlungen in diesem Fall aufnehmen.
Ein Nannenpreis ohne kleinen Skandal im Vorfeld oder Nachhinein wäre auch ungewöhnlich. Spricht das Aufregungspotenzial für die Bedeutung des Preises?
Krug : Es zeigt vor allem, dass es viele gute Storys gibt, die mit diesem Preis noch einmal richtig und auch zu Recht Aufmerksamkeit generieren. Könnten nur Beiträge veröffentlicht oder prämiert werden, die bei allen Betroffenen auf Wohlgefallen stoßen, wäre das das Ende des investigativen Journalismus.
Hans Leyendecker, Recherchechef der „SZ“, behauptet, es wurde noch nie so gut investigativ recherchiert wie heute.
Krug : Das sehe ich ähnlich. In vielen Tageszeitungen findet sich heute dieser Geist der investigativen Leistung. Das ist nicht mehr nur allein Sache der großen Magazine.
Ein anderer Kollege, Nikolaus von der Decken von der Burda-Journalistenschule, erklärte dagegen, die Zeit von Edelfedern sei vorbei, nur multimedial ausgebildete Schreiber hätten eine Zukunft.
Krug : Eine vollkommen unnötige Äußerung, die ich keinesfalls teile und der ich auch nicht folgen kann. Der gut recherchierte Journalismus hat eine große Zukunft, das Gleiche gilt für die sogenannten Edelfedern. Hervorragend geschriebene Stücke werden immer gelesen werden. Nur weil sich ein einzelner Verlag eine bestimmte Art des Journalismus nicht mehr leisten will, muss diese Meinung ja nicht für eine ganze Branche gelten.
Eine umfassende Rechercheleistung, über die kürzlich viel geredet wurde, war die Enthüllung der „Panama Papers“. Wie sehr ärgern Sie sich als „Stern“-Chefredakteur darüber, dass Sie nicht direkt beteiligt waren an der Veröffentlichung?
Krug : Ich bin in dieser Hinsicht vollkommen neidfrei und habe großen Respekt vor der grandiosen Leistung der Kollegen. Dass 400 Journalisten aus 100 Ländern gemeinsam der Wahrheitsfindung dienen wollen – so etwas hat es in der Geschichte des Journalismus noch nicht gegeben. Und dass die „Süddeutsche Zeitung“ ihre Rechercheergebnisse freiwillig mit anderen Medien teilt, auch davor ziehe ich den Hut.
Wie stehen Sie zum Fall Böhmermann?
Krug : Ich gehöre bestimmt nicht zum Fanclub des Böhmermann-Gedichtes. Aber die dadurch ausgelöste Diskussion über Presse- und Meinungsfreiheit finde ich hochinteressant. Anhand der Böhmermann-Affäre ist deutlich geworden, als welch hohes Gut die Meinungs- und Pressefreiheit in diesem Land angesehen wird. Da bin ich auch der Erste an der Front, die Pressefreiheit zu verteidigen – obwohl ich lieber etwas anderes verteidigt hätte als dieses blöde Gedicht.
Wer bekommt das erste große Böhmermann-Interview?
Krug : Wir hatten jedenfalls das letzte große Interview. Er weiß, bei uns kann er sich auf eine faire Behandlung verlassen. Den Rest sehen wir dann.