Actionstreifen “Tschiller: Off Duty“ bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. “Tatort“-Kollegin Furtwängler hat ähnliche Probleme.
Hechtsprung durch die Hotelzimmerwand. Splatter mit dem Mähdrescher. Stunt-Jagd über Dächer. Man kann wahrlich nicht behaupten, dass der Zuschauer für seine Eintrittskarte im „Tatort“-Ableger „Tschiller: Off Duty“ nichts geboten bekäme. Nur: Warum will trotzdem kaum jemand den Film auf der großen Leinwand sehen? Vor vier Wochen gestartet, kommt der Kino-„Tatort“ auf nicht einmal 270.000 Zuschauer. Zum Vergleich: Matthias Schweighöfers Buddyfilm „Der geilste Tag“ sahen bereits am ersten Wochenende rund 100.000 Menschen mehr, also 370.000.
Schweigers Einspielergebnis bleibt somit weit hinter den Erwartungen der Macher zurück. Und ist in doppelter Hinsicht enttäuschend. Til-Schweiger-Filme ziehen gewöhnlich die Massen an, generationsübergreifend. Sein Alzheimerdrama „Honig im Kopf“ ist mit mehr als sieben Millionen Zuschauern ein großer Erfolg. Auf der anderen Seite ist der „Tatort“ am Sonntag die konkurrenzlose Dauerlieblingssendung der Deutschen, ein zweistelliges Millionenpublikum ist hier keine Seltenheit. Der Zuschauer sieht über schwäbelnde Sekretärinnen hinweg, über Kommissare in Badehosen und Schmunzelsprüche in der Pathologie, die einem Zweitklässler peinlich wären. Wer immer ab 20.15 Uhr im Ersten ermittelt, es wird fleißig mitgerätselt. Der „Tatort“ ist so mehrheitsfähig wie Schokoladenpudding. Nur, kostenlos soll der Spaß bitte schön sein (minus GEZ-Gebühren) und auf dem Wohnzimmersofa konsumierbar. „Tatort“ ist gelernte Umsonstunterhaltung. Eine solche Sehgewohnheit ist schwer zu durchbrechen.
Schweiger bei der Premiere am Dammtor:
Tschiller Off Duty – aber mit Freundin
Verschiebung war wenig hilfreich
Zudem war es wohl nicht wirklich hilfreich, dass die Ausstrahlung des „Tatort“-Zweiteilers, in dem Nick Tschiller und die Russenmafia sich gegenseitig lahmlegten, wegen der Terroranschläge in Paris verschoben wurde. So kam es, dass zwischen Fernsehpremiere und Kinostart kaum vier Wochen Abstand lagen. In Zeiten, in denen die Welt aus den Fugen geraten ist, holt die Realität die Fiktion eben manchmal auf unschöne Weise ein. Dennoch, es blieb beim Publikum das Gefühl, die aufgewärmten Reste serviert zu bekommen.
Schwerer noch dürfte die Tatsache wiegen, dass der Zuschauer in „Off Duty“ minutenlang Fremdsprachen und Untertiteln ausgesetzt ist, ohne dass ein deutscher Satz fällt. Das machen viele nicht mit. „Das deutsche Action-Publikum geht nicht zum Lesen ins Kino“, sagt ein Fachmann aus der Branche. Und nicht zuletzt hat sich die alte Kino-Küchenweisheit wieder mal bewahrheitet: Das Publikum traut der deutschen Action nicht. Im Kino will es Bond. Nicht Schweiger, der den Bond gibt. Mit Polizeifilmen ist ohnehin jeder dank der öffentlich-rechtlichen Sender nicht nur bestens versorgt, sondern wird fast schon unanständig belagert. Beim NDR scheint man angesichts des schlechten Einspielergebnisses noch etwas ratlos: „Die Redaktion ist derzeit in der Analyse, die noch nicht abgeschlossen ist“, lautet die Antwort aus der zuständigen Redaktion.
Furtwänglers Glanzleistung wird nicht belohnt
Spricht man von der Krimiverlagerung ins Kino, ist man schon bei der nächsten „Tatort“-Kollegin. Zeitgleich mit „Tschiller: Off Duty“ startete das beklemmende Drama „Das Wetter in geschlossenen Räumen“ (zu beiden Titeln darf man übrigens festhalten: bestenfalls eine Drei minus) mit Maria Furtwängler. Bislang sahen den Film von Regisseurin Isabelle Stever rund 11.000 Zuschauer.
Furtwänglers letzten „Tatort“ verfolgten mehr als 10 Millionen Zuschauer. Was diese Zahlen aussagen? Um eine der beliebtesten deutschen Schauspielerinnen auf der Leinwand zu sehen, greift der Durchschnittskinogänger noch lange nicht ins Portemonnaie. Aber dass sich ein paar mehr der zahlreichen Charlotte-Lindholm-Fans ins Kino verirren, damit hätte man gerechnet. (So schauspielerisch überzeugend wie in „Das Wetter in geschlossenen Räumen“ hat man Furtwängler, nebenbei bemerkt, noch in keinem „Tatort“ gesehen.)
Auch Striesows Film zieht nicht
Die aktuellen Kinoausflüge der Fernseh-Kultkommissare könnten unterschiedlicher nicht ausfallen. Hier Action, dort Arthouse. Einmal großes Budget und noch größere Werbetrommel, im anderen Fall Low Budget und das visuell nicht gerade aufregende Thema Entwicklungshilfe. Die Runde komplett macht „Tatort“-Ermittler Devid Striesow, der mit dem Drama „Nichts passiert“ bislang müde 20.000 Kinozuschauer anlockte. Punkten konnte Striesow dagegen mit der Hape-Kerkeling-Aussteigerfabel „Ich bin dann mal weg“ (1,7 Millionen).
Überhaupt kann eigentlich niemand behaupten, dass es dem deutschen Kino derzeit ernsthaft schlecht gehe. Der Mädchenspaß „Bibi und Tina 3“ entwickelt sich zum Publikumshit, das Alpenmärchen „Heidi“ begeistert deutsche und ausländische Zuschauer. Familie, Heimat, Eskapismus – es sind die bekannten Motive, die das Publikum auf der Leinwand sucht. Vielleicht ist dies gerade eine Zeit, in der die Menschen sich nach tröstlichen Geschichten sehnen. Und nicht nach Mähdrescherspektakel.