Der ZDF-Zweiteiler „Böser Wolf“ ist die Verfilmung eines Nele-Neuhaus-Krimis. Leider hat der Film blasse Protagonisten.

Kriminalfälle, die ein fernes Echo in der Vergangenheit haben. Traumata, die nie überwunden, Verbrechen, die nie aufgeklärt wurden. Im Krimi-Plot lässt sich damit eine zusätzliche Dimension der Polizeiarbeit abbilden: die Schmach – und, na klar, die Gefährdung der Menschen, wenn die Bösewichte immer noch frei herumlaufen. Befriedigung stellt sich erst ein, wenn der Gerechtigkeit doch noch Genüge getan wird. Was ist schlimmer als ein ungelöster Fall, als eine verhunzte Ermittlungsarbeit?

Und was ist schlimmer als der Missbrauch von Kindern? In „Böser Wolf“, dem neuen, zweiteiligen Taunus-Krimi des ZDF, trifft beides zusammen, die Wunden des Gestern auf die Jagd nach den Triebtätern, den Schändern. Im Main wird die Leiche eines unbekannten Mädchens gefunden, Oliver von Bodenstein (immer noch mit Siegelring: Tim Bergmann) und Pia Kirchhoff (Felicitas Woll) ermitteln. Weil sie dies in insgesamt knapp 180 Minuten tun, darf die Arbeit auch durchaus etwas komplexer sein – siehe die eingangs erwähnte historische Grundierung des Tagesgeschäfts.

Dazu gehört ein Staatsanwalt (Harald Schrott), der von Frankfurt aus reges Interesse an dem Fall in der hessischen Provinz hat. Mit seiner Schwester ging es neun Jahre zuvor ebenfalls als Wasserleiche zu Ende. Außerdem gibt es eine Fernsehmoderatorin (Jenny Elvers), die den Ballast des Missbrauchs im Kindesalter mit sich herumschleppt und loswerden will – im Verlaufe der Handlung wird sie vom Vertuschungskommando der Pädophilenclique übel zugerichtet. Und ein früher pädophilen Neigungen angeblich überführter Anwalt (Alex Brendemühl), der mit dem neuen Fall etwas zu tun haben könnte, ist seit Jahren verschollen.

Unangenehme Szenerie also, in der sich das Duo Bodenstein/Kirchhoff da gewinnbringend – heißt: erfolgreich strafverfolgend tätig zu werden – bewegen muss. Das Drehbuch von Anne Tebbe folgt wie in allen Fällen des Ermittlerteams der Romanvorlage von Bestsellerautorin Nele Neuhaus, die selbst in Hessen lebt.

Es geht hier ziemlich erwartbar zu, denn natürlich sind die besten Kreise in die seit Jahrzehnten stattfindenden Sauereien verstrickt oder spielen in der aufwendig erzählten Story zumindest irgendwie eine Rolle. Ein Arzt und Wohltäter, der in einem schlossartigen Anwesen herrscht, ein ebenso feudal angesiedelter Fernsehmann, eine TV-Frau, die im Wohlstandsbungalow residiert. Dagegen dann die Anderswelt des Campingplatzes, auf dem der Ex-Anwalt in Weltverzicht lebt.

„Böser Wolf“ ist trotz der Zeit, die sich Regisseur Marcus O. Rosenmüller zum Beispiel für jene Milieubeschreibungen nimmt, kein intensives Stück Fernsehen geworden. Ganz im Gegenteil: Die bereits in den Vorgängerepisoden faden Polizeiprotagonisten haben auch diesmal so gar keinen Reiz und wirken seltsam unverbunden mit dem Geschehen. Und all das kaleidoskopartig nebeneinander gestellte Handlungsmobiliar ist weder besonders gut gespielt, noch entwickelt es die berühmte Kraft des Suggestiven, die ein guter Film braucht. Nein, die Architektur in diesem Zweiteilerfilm ist zwar üppig, aber umständlich.

Die Unfassbarkeit des Geschehens, das Grauen des Missbrauchs wird überdies – zum Beispiel im Vergleich zu dem ein oder anderen „Tatort“, der sich des Themas bereits annahm – keineswegs in ein eindringliches Leinwandgeschehen übersetzt, sondern nur behauptet. Was in vielerlei Hinsicht nicht schlecht ist: Die blassen Horrorerinnerungs-Flashs der Frauen und Mädchen ziehen so wenigstens nicht an den Eingeweiden.

So muss man über „Böser Wolf“ das Schlimmste sagen, was sich über einen Krimi sagen lässt, dass er über weite Teile so dahinplätschert nämlich. Dass man als Zuschauer wegen der Vielzahl an Szenen ein bisschen länger brauchen darf, um zu erfahren, wer von den Bösen doch gar nicht so böse und wer von den Guten überhaupt nicht gut ist? Geschenkt.

„Böser Wolf“ mag dramaturgisch schwach geraten sein, das ungleich größere Problem sind wohl aber doch die fiktiven Strafverfolger Bodenstein und Kirchhoff.

Die bringen es noch nicht einmal fertig, die Krimi-Disziplin „Wir sind mordsgeschlaucht von der ganzen Ermittlerei und trinken jetzt ein Bier zusammen“, eigentlich ein Selbstläufer, halbwegs interessant in Szene zu setzen. Ecken und Kanten gibt es hier nirgendwo, dafür pensionierte Kriminaler, die in der Gastwirtschaft Kartoffelbrei mit dreierlei Fleisch essen und ernsthaft Stanzsätze wie diesen sagen: „Das Netzwerk der Kinderschänder reicht bis ins benachbarte Ausland.“

Konfektionsware also, am Ende lieblos und runterproduziert. Da gucken wir doch lieber „The Killing“ oder „River“ auf Netflix.

Zweiteiler: „Böser Wolf“ Mo 11.1. und Di 12.1., jeweils 20.15 Uhr, ZDF