Lübeck. Der Lübecker Jonas Nay spielt die Hauptrolle in der RTL-Serie „Deutschland 83“. Nebenbei macht und studiert er Musik.

Jonas Nay steht ganz allein vor dem Cinestar-Kino in Lübeck und blickt auf sein Handy. Um ihn herum strömen die Leute, niemand scheint Notiz von ihm zu nehmen. Auch im Restaurant ändert sich der Eindruck nicht. Möglicherweise sind die ruhigen Zeiten aber bald vorbei, denn seit Wochen sieht man ihn in U-Bahn-Haltstellen auf überlebensgroßen Plakaten. Nay ist der Hauptdarsteller von „Deutschland 83“. Er spielt in der hoch gelobten RTL-Serie den NVA-Soldaten Martin Rauch, der als Moritz Stamm zu Spionagezwecken in die Bundeswehr eingeschleust wird.

„Ich musste mir die Rolle im Casting erkämpfen, und ich wollte sie unbedingt“, erinnert sich der 25-Jährige. Es könnte eine entscheidende in seiner noch jungen Laufbahn sein. Viereinhalb Monate hat er dafür vor der Kamera gestanden, zwei Monate hat er sich vorbereitet. Das war auch notwendig: „Die 80er-Jahre sind für mich ferner als die Geschichte des Dritten Reichs. Den Kalten Krieg haben wir nicht im Geschichtsunterricht behandelt.“ Drehbuchautorin Anna Winger hat mit Nay die Dialoge durchgesprochen, ihm vermittelt, wie wichtig es sei, dass er sich mit seiner Persönlichkeit in die Gestaltung der Figur einbringt. Auch Regisseur Edward Berger habe ihn stark einbezogen.

Nay ist schon als Teenager zur Schauspielerei gekommen. Seine erste Rolle spielte er in der Kinderserie „4 gegen Z“, einer Produktion von Studio Hamburg. Star der Serie war Hollywood-Schauspieler Udo Kier. Vor Kurzem hat er ihn wieder getroffen. Es war ein Déjà-vu mit Anlaufschwierigkeiten. „Es dauerte, bis er wieder wusste, wer ich bin. Er hat sich nicht verändert, ich offenbar schon.“

Seinen Durchbruch schaffte Nay mit einer mutigen Rolle in einem wichtigen TV-Film. In „Homevideo“ spielte er vor vier Jahren einen Jugendlichen, der von seinen Mitschülern gemobbt wird. Für seine Darstellung im eindringlichen Drama gewann er einen Grimme-Preis und den Deutschen Fernsehpreis. „Ich habe damals im Dachzimmer im Haus meiner Eltern gelebt und weiß noch, wie ich beim Lesen des Drehbuchs Schweißausbrüche bekommen habe. Der Film war für mich ein Sprungbrett. Für meine Familie war es schwer, mich in dieser Rolle zu sehen.“ Seitdem weiß Jonas Nay, wie es ist, wenn man für eine Zeit im Licht der Öffentlichkeit steht. Und das dank eines sehr lebensnahen Stoffs. Viele Schüler erzählten ihm, dass Lehrer den Film im Unterricht gezeigt haben. „Gerade erst hat mich ein Mädchen darauf angesprochen, dass es an seiner Schule einen ähnlichen Fall gab.“

Vom Alltag abschalten kann Nay mit der Musik. Er singt und spielt Keyboards in der Band Northern Lights, die gerade ihre erste EP mit deutschsprachigen Texten aufgenommen hat. Im Sommer will sie durch die Republik touren. Zusätzlich studiert Nay auch noch Musik in seiner Heimatstadt Lübeck. Während seines Zivildiensts in einem Behindertenheim in Seevetal hat er in Wilhelmsburg gewohnt, aber er wollte wieder in die andere Hansestadt. „Hier habe ich mein Studium, meine Familie, meine Freunde, meine Band und meinen Handballverein. Ich mag das Überschaubare.“

Nay studiert Musik und würde gern mal eine komplette Filmmusik schreiben

Das Studium gebe ihm „eine Art Stundenplan fürs Leben“. Etwas sehr Konkretes ist dabei auch schon rumgekommen: zwei Songs für den Film „Der König von Deutschland“ mit Olli Ditt­rich. Ganz schön, reicht dem Fan von Clueso und Jamie Callum aber noch lange nicht. Es würde ihn reizen, mal eine komplette Filmmusik zu schreiben, sagt er.

Jetzt ist Nay aber erst einmal als Schauspieler gefragt. Wie wird sich „Deutschland 83“ auf sein Leben auswirken? „Ich bin sehr gespannt“, sagt er, aber er gibt sich auch gelassen. „Von rund 200.000 Seelen in Lübeck kenne ich über zwei Ecken ungefähr die Hälfte. Das gibt mir ein bisschen Ruhe und Sicherheit. Ein bisschen tatterig bin ich trotzdem. Ich stehe zwar ganz gern im Mittelpunkt, aber lieber in ausgewählten Momenten.“

„Deutschland 83“, Folgen 3 und 4,
Do, 20.15 Uhr, RTL