Im September 1965 schockierte der Beat-Club die Erwachsenen mit neuer Musik – und begeisterte Jugendliche in West und Ost.

„Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, ­kopieren müssen? Ich denke, Genossen, mit der Monotonie des Je-Je-Je, und wie das alles heißt, ja, sollte man doch Schluss machen“, grollte der DDR-Diktat... ääh Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht 1965. Beatmusik war ihm ein Gräuel. Und so wurde der Sound, der erst ein Jahr vorher Einzug in das Jugendprogramm des DDR-Rundfunks „DT64“ gehalten hatte, wieder verboten. In Leipzig protestierten Jugendliche bei der ersten Demonstration seit dem Aufstand des 17. Juni 1953 gegen das Beatverbot und bekamen Dresche von der Volkspolizei.

Doch im Westen, aus dem der „Dreck“ kam, sah es nicht anders aus. Laute Beatmusik von jungen langhaarigen Rockern fanden die Erwachsenen mindestens unerträglich. Die Krawalle bei der Tournee der Rolling Stones 1965 durch West-Deutschland, ein Auslöser für das Beatverbot im Osten, bestätigten sie in ihrem Bild. Umso ­erstaunlicher ist, dass am 25. September 1965 der „Beat-Club“ im Ersten auf Sendung gehen durfte und nicht gleich wieder eingestampft wurde. Eine monatliche Fernsehshow für Jugendliche! Mit Rock ’n’ Roll und Beatmusik! Das war geradezu skandalös!

Aus heutiger Sicht ist das kaum nachzuvollziehen, wenn man an diesem Montag die Dokumentation „Generation Beat-Club“ von Michael Meert und Carl-Ludwig Rettinger im Ersten sieht. Das sieht doch alles ganz harmlos aus. Aber Unterhaltungsfernsehen, das war vor 1965 noch „Zum Blauen Bock“, wo verhärmte Ostfront-Gesichter über spießige Sketche lachten, befeuert von literweise Apfelwein aus Bembeln, scheußlichen Frankfurter Steinzeugkannen. Der „Beat-Club“ fegte im Vergleich dazu über die Mattscheibe wie die Rolling Stones durch deutsche Konzertsäle.

Denn der „Beat-Club“ war mehr als die Playback- und Livepräsentation von Bands wie den Bremer Yankees („Halbstark“) oder der Liverpooler Girlband The Liverbirds („Peanut Butter“), die in der ersten Sendung auftraten. „Es ist eine Livesendung mit jungen Leuten für junge Leute“, kündigte Ansager Wilhelm Wieben die Premiere an. Nicht ohne die Älteren vorzuwarnen: „Sie aber, meine Damen und Herren, die Sie Beatmusik nicht mögen, bitten wir um Ihr Verständnis.“

Fernsehen mit jungen Leuten für junge Leute, das war der Plan des produzierenden Senders Radio Bremen, und die Entwickler des Formats, ­Michael Leckebusch und Gerhard Augustin, leisteten ganze Arbeit. Hübsche Go-go-Girls, Studiogäste, Einspielfilme, vorgelesene Zuschauerpost (oft mit der Bitte um Anonymität wegen der Eltern) und besonders die so witzige wie authentische Hauptmoderatorin Uschi Nerke schufen einen direkten Draht zur Zielgruppe. Zwei Drittel aller Westdeutschen unter 30 Jahren (und viele heimliche TV-Zaungäste im Osten) schalteten regelmäßig ein.

Und dieses mediale Unterhaltungsmonopol bot ja nicht nur das Wer-ist-wer des internationalen Pop, Sonny & Cher, Gerry & The Pacemakers, Jimi Hendrix, The Who, Black Sabbath, Santana, Jethro Tull, Deep Purple. Sondern auch ihre Kleidung, ihre Frisuren, ihren Lifestyle, ihre Botschaften. Die Jugend kleidete sich wie ihre Helden, Mädchen begannen zu singen wie Tina Turner, Janis Joplin und Julie Driscoll, Jungs begannen zu rocken wie Cream oder entdeckten den klassischen schwarzen Blues eines Muddy Waters. So begann zum Beispiel ein Wolfgang Niedecken, der in der Dokumentation ausführlich zu Wort kommt, Musik zu machen.

Der „Beat-Club“ war ein unmittelbarer Verbreiter und Verteiler von Jugendkultur, die sich immer weiter auffächerte. Blues-, Hard-, Progressive- und Psychedelicrock lösten den Beat ab. Das Farbfernsehen und die wie im Drogenrausch flirrenden und flimmernden Effekte von Leckebusch ersetzten schwarz-weiße Monochromie. Alles wurde bunter, vielseitiger, auch politischer. Und so verlor der „Beat-Club“ das Monopol auf die Jugend, weil die sich nicht mehr nur zwischen Beatles und Stones entscheiden wollte. Am 9. Dezember 1972 lief die 84. und letzte Folge. Spätere Pop-Formate wie „Musikladen“, „Hitparade“, „Disco“ oder „Formel Eins“ sollten nie mehr den identitätsstiftenden Einfluss haben wie der „Beat-Club“. Die für Radio Bremen und WDR produzierte ARD-Doku zeigt das nur in kurzen Ausschnitten, und man fragt sich, warum Nerke nur einmal in der Rückschau zitiert wird. Aber schon am 26. September wird bei einer langen „Beat-Club“-Nacht im NDR/RB-Fernsehen nachgelegt.

Und dann ist da noch dieses schöne Bild wie Evelyn Frisinger, Modeausstatterin des „Beat-Club“, eine alte Schallplatte von Julie Driscoll aus der Hülle zieht. Ein Stück ist zu ihrer Überraschung in den Jahren aus der Vinylscheibe herausgebrochen. So klingt sie beim Auflegen nicht perfekt, aber immer noch toll. Guter Pop ist zeitlos.

„Generation Beat-Club“ Mo, 21.9., 23.30-0.15, ARD „50 Jahre Beat-Club – Lange Fernsehnacht“ Sa, 26.9., 23.25-4.40, NDR/RB