Die ARD schenkt dem „Kaiser“ zum Geburtstag ein Porträt. Wie wird man diesem Ausnahmefußballer gerecht? Ein Interview.
Franz Beckenbauer wird am 11. September 70 Jahre alt, und die ARD schenkt ihm zum Geburtstag ein Porträt, das sie bereits am 6. September zeigt. Wie wird man diesem Ausnahmefußballer, dem Kaiser, der Lichtgestalt, dem Sonntagskind gerecht? Regisseur Thomas Schadt holte Weggefährten wie Günter Netzer, Lothar Matthäus und Pele vor die Kamera, ließ Beckenbauer mit seinen jüngsten Kindern kicken und besuchte mit ihm das Spiel Bayern München - HSV. Die Mischung ist kurzweilig, aber einen knallhart-investigativen Dokumentarfilm darf man – produziert hat die Ufa für den Bayerischen Rundfunk – natürlich nicht erwarten. Regisseur Schadt ist im „Nebenberuf“ Direktor der Filmhochschule in Ludwigsburg und selbst leidenschaftlicher Kicker.
Hamburger Abendblatt: Für den Ufa-Chef Nico Hofmann ist Fußball nicht gerade die schönste Nebensache der Welt. Trotzdem hat er den Film produziert. Wie ist Ihr Verhältnis zu diesem Sport?
Thomas Schadt: Schon anders. Ich bin ein großer, sehr leidenschaftlicher Fußballfan, komme aus Nürnberg und bin dem 1. FC sehr verbunden. Der Fußball hat mich mein ganzes Leben begleitet. Ich habe 1992 den Film „Elf Freunde müsst ihr sein“ über Bayern München gedreht, bin also im Thema.
Franz Beckenbauer ist ein besonderer Fußballer für Deutschland, der Kaiser eben. Ist ein Dokumentarfilm über ihn für einen Regisseur da nicht eine besonders schwierige, vielleicht sogar undankbare Aufgabe?
Schadt: Nein eine sehr dankbare. Ich war neun Jahre alt, als er bei der Weltmeisterschaft 1966 in England auftauchte. Er kam mir da schon besonders vor. Seitdem habe ich alle Weltmeisterschaften intensiv miterlebt. Beckenbauer und Günter Netzer waren für mich sportliche Idole, mit denen ich aufgewachsen bin. Die Möglichkeit jemand über so einen Film kennenzulernen, kann doch nur erfreulich sein.
Man möchte als Dokumentarfilme aber doch auch etwas Neues herausfinden. Ist Ihnen da nicht der „Denkmalsschutz“ in die Quere gekommen?
Schadt: Nein. Meine Fragestellung war, ob Beckenbauer so denkt, wie er Fußball spielt, oder so Fußball spielt, wie er denkt. Mich hat interessiert, wie ein besonderes Talent funktioniert, welche Verbindung von Kopf zu Körper muss da vorhanden sein? Am Ende finde ich, dass er sein Leben so gelebt hat wie er Fußball spielte: sehr intuitiv und impulsiv, auch für andere oft überraschend und nicht abgesprochen. Wir haben Dinge herausgefunden, die für sein Leben und seinen Stil gleichermaßen prägend sind. Das war für mich neu.
Sie haben eine ganze Reihe von Zeitzeugen und Weggefährten befragt. Hat es da auch jemand gegeben, den Sie gern dabei gehabt hätten, aber nicht bekommen haben?
Schadt: Bobby Charlton. Wir wollten jeden von ihnen einer bestimmten WM zuordnen: Netzer für 1972, Matthäus für 1990, Wolfgang Niersbach und Gerhard Schröder für 2006. Es war aber immer klar, dass der sprachliche Hauptanteil bei Beckenbauer selbst liegen soll. Er sollte so über sein Leben reflektieren, wie er es bisher filmisch nie getan hat.
Als Rahmenhandlung haben Sie einen Stadionbesuch mit ihm bei der Partie Bayern-HSV ausgewählt, die im Februar mit dem 8:0-Kantersieg der Bayern endete.
Schadt: Das war natürlich ein Glücksgriff. Wir haben lange überlegt, welches Spiel wir mit ihm besuchen sollen. Am Ende kamen nur Dortmund, Mönchengladbach oder der HSV infrage. Wir haben dann den HSV genommen, weil er dort gespielt hat und in ihm deshalb zwei Herzen schlagen. Aber dass das Spiel so ablaufen würde, war natürlich nicht vorauszusehen. Da war der Fußballgott auf unserer Seite.
Das sieht man hier im Norden womöglich anders. Beckenbauer ist berüchtigt für seine leichtfertigen Äußerungen, die er ab und zu vom Stapel lässt. Haben Sie darunter zu leiden gehabt?
Schadt: Nein. Aber so wie er sich der Öffentlichkeit aussetzt, liegt so eine Gefahr natürlich in der Luft. Ständig wollen die Leute etwas von ihm wissen. Ständig sind Mikrofone und Kameras um ihn herum. Manchmal wird etwas aus dem Zusammenhang gerissen. Da kann man schon mal missverstanden werden. Aber er hat natürlich auch manchmal unglücklich agiert. Wir haben uns eher zu längeren Gesprächen getroffen. Da war die Gefahr nicht so gegeben. Ich fand es sehr schön, wie reflektiert und mitunter auch selbstkritisch er sich geäußert hat.
Wie sehen Sie sein Verhältnis zu Sepp Blatter und zur Fifa?
Schadt: Das Thema hat uns beschäftigt. Es gab lange Diskussionen darüber, wie wir das in einen Film einbinden, der ein Lebenswerk beleuchten will. Ich glaube, dass Beckenbauer der Fifa gegenüber schon eine kritische Haltung hat, was die Struktur des Verbandes anbelangt. Hauptproblem scheint mir zu sein, dass dort auch Länder stimmberechtigt vertreten sind, in denen Korruption zum Tagesgeschäft gehört. Was sein Verhältnis zu Blatter betrifft – da will ich vorsichtig bleiben. Das stand nicht im Vordergrund unserer Aufgabe und meines Interesses.
Wo war Beckenbauer besser: als Spieler, Trainer oder Funktionär?
Schadt: Ich finde es irre, dass er sich drei Mal neu erfunden hat. Das muss man erst mal hinbekommen. Und alles hat er zu einem Erfolg gemacht. Ich finde ihn als Spieler am genialsten, war und fasziniert davon wie die Europameistermannschaft 1972 und die Weltmeistermannschaft 1974 Fußball gespielt hat, und was damals alles Neues entstanden ist. Da hat er vieles mit entwickelt und getragen. Diese Teams haben den Fußball damals gesellschaftsfähig gemacht. Wahrscheinlich ist das aber auch meinem Alter geschuldet. Die anderen Leistungen waren aber für unser Land nicht weniger wichtig.
Es passiert nicht alle Tag, dass der Chef einer Filmhochschule selbst hinter der Kamera steht. Wollten Sie es Ihren Studierenden noch einmal zeigen?
Schadt: Es ist für mich einfach wichtig, mich daran zu erinnern, was es heißt, einen Film zu machen. Ich kümmere mich deshalb immer wieder um solche Projekte, eben weil ich nicht nur der Direktor sein will. Das ist meine Triebfeder. Filme zu machen ist mein Leben.
Was ist Ihnen als Lehrer gegenüber Ihren Studierenden besonders wichtig?
Schadt: Wir wollen ihnen ermöglichen sich in ihrer Ausbildung charakterlich zu festigen und zu entwickeln. Das Handwerklich kommt mehr oder weniger automatisch. Es ist wie beim Autofahren. Wie man den Gang reinlegt, weiß man dann schon. Aber wie man im Kopf damit umgeht, wie man seine Handschrift findet und sich durchsetzt, auch argumentativ, das hat viel mit einer Persönlichkeit und einer Haltung zu tun. Deshalb ist die Ausbildung vor allem dazu da, die Charaktere der Studenten zu fördern.
Vor diesem Film über den Ehrenpräsidenten des FC Bayern haben Sie „Der Rücktritt“ über den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff gedreht. Werden Präsidentenfilme jetzt ein eigenes Genre, und wollen Sie so weitermachen?
Schadt: Es war auf jeden Fall so eine Phase bei mir, aber die ist abgeschlossen. Jetzt kann ich wieder zu neuen Ufern aufbrechen.
„Fußball – Ein Leben: Franz Beckenbauer“: So, 21.45 Uhr, ARD
90er Weltmeister feiern noch einmal