Die neue Serie von „Grey’s Anatomy“-Erfinderin Shonda Rhimes, läuft jetzt im Free-TV auf Vox.

Okay, die Erzählstruktur ist überraschend unaufgeräumt. Sie sorgt dafür, dass man der US-Serie „How To Get Away With Murder“, die heute bei Vox im Free-TV anläuft, vielleicht auch über Folge zwei hinaus die Stange hält, falls man mit seiner Zeit gerade nichts Besseres anzufangen weiß. Denn vieles am Plot und vor allem in den Figuren wirkt wie in der Dramaturgenwerkstatt mit dem Fuchsschwanz zurechtgesägt. Die Ausfransungen an den Schnittkanten haben bestimmt Methode, denn die Serie wirkt wie ein grob sarkastisches Spiel mit den Absurditäten des amerikanischen Rechtssystems und nimmt zugleich die Universitäten und deren Strukturen aufs Korn.

Hier ist nichts elegant oder teuer erzählt, die Serie wirkt so Low-Budget wie die Beinahe-Sitcom „How I Met Your Mother“, nur ist sie nicht so herrlich albern. Aber vielleicht liege ich auch ganz falsch – es gibt ja haufenweise Fans von „Grey’s Anatomy“, und Shonda Rhimes, die diese Arztserie erfunden hat, legt mit „HTGAWM“ eben nun ihren Genre-Hybrid aus Anwalts- und Campusserie vor.

Hauptfigur ist die schwarze, höllisch brillante Juraprofessorin und Anwältin Annalise Keating, die an der Middelton Law School in Philadelphia ihre Studenten mit Exzellenz-Sadismen piesackt. Wer nicht präzis aufs Seminar vorbereitet ist, den stellt sie unbarmherzig vor allen bloß. Die anderen können es weit bringen – den vier Besten des Semesters bietet sie einen Platz als Hiwis in ihrer Kanzlei. Die Chance wollen natürlich alle, wir sind in Amerika, Konkurrenzkampf ist zweite Natur. Apropos schief übersetztes Englisch: Den Originaltitel hat Vox mit „Wie man mit Mord davonkommt“ eingedeutscht, was einem Biss in die Zitrone nahekommt. Im Englischen wird die idiomatische Redewendung „to get away with murder“ auf Leute gemünzt, die glauben, dass sie sich alles erlauben können, aber egal.

Professor Keating rekrutiert in diesem Semester ausnahmsweise fünf statt vier Assistenten. Der fünfte, Wes Gibbins, ist so niedlich, außerdem hat er sie bei was ertappt. Die politisch korrekt ausgewählten studentischen Hilfskräfte sollen sich bei Keatings Fällen vor Gericht nützlich machen. Die sind manchmal skurril, und die Methoden, den Verfahren ungeahnte Wendungen zu geben, oft am Rande der Legalität oder auch der Plausibilität. Zur nachträglichen Beweisaufnahme bei einem Mordfall etwa dürfen Keating und ihr Gefolge den blutbespritzten Tatort inspizieren. Und ihr Mandant, der mutmaßliche Mörder, führt an einem der Studenten vor, wie er dem Opfer, seiner Frau, laut Anklage die sinnlos vielen Messerstiche beigebracht haben soll.

Die meisten Szenen spielen im Gerichtssaal, in Keatings Wohnkanzlei oder im Hörsaal. Dazwischen muss der Zuschauer der ersten beiden Folgen immer wieder stümperhafte Versuche einer nächtlichen Leichenbeseitigung betrachten. Dass die daran Beteiligten besagte studentische Anwaltsgehilfentruppe sind, legt den Schluss nahe, sie selbst hätten das Verbrechen begangen.

Leider trübt die deutsche Synchronisation das ohnedies überschaubare Vergnügen an der Serie. Die Sprecher pflegen diesen nervigen Privatfernsehsynchronsound, der der naiven Hyperaufgeregtheit der amerikanischen ­Figuren nacheifert. Aber immerhin: Shonda Rhimes zeigt hier, wie man Klischees zugleich bedienen und sich über sie lustig machen kann.

„How To Get Away With Murder“ 2.9., 20.15 Uhr (ab dann jeden Mittwoch um diese Zeit), Vox