ZDF startet sechsteilige Serie „Schuld“ nach Kurzgeschichten von Ferdinand von Schirach. Hamburger Schauspieler spielt die Hauptrolle.

Mit Filmen, die nach den Kriminalgeschichten von Ferdinand von Schirach entstanden sind, hat man beim ZDF bisher gute Erfahrungen gemacht. Vor zwei Jahren strahlten die Mainzer sechs Folgen „Verbrechen“ aus, in denen Josef Bierbichler den Strafverteidiger Friedrich Leonhardt spielte. Dafür gab es sogar eine Grimme-Preis-Nominierung. Jetzt geht der Sender in eine neue Runde und hat sich dafür bei von Schirachs Kurzgeschichten „Schuld“bedient. Diesmal heißt der Verteidiger Friedrich Kronberg. Moritz Bleibtreu kehrt in dieser Rolle nach langer Abstinenz wieder ins Fernsehen zurück. Die erste der sechs Folgen heißt „Der Andere“.

Sie sind ein wenig gelangweilt voneinander, Thorsten Paulsberg (Devid Striesow) und seine Frau Lissy (Bibiana Beglau). Also laden sie andere Männer ein, um mit Lissy zu schlafen. Thorsten filmt die Szenerie. Schwierig wird es, als einer der Männer, Rüdiger (Matthias Matschke), sich als früherer Schulkamerad des Mannes entpuppt. In Gesprächen voll böser Ironie reizt er Thorsten bis aufs Blut. Der greift sich schließlich einen schweren Aschenbecher und schlägt Rüdiger fast tot.

Als neue Form von „emotionalen Kriminalgeschichten“ stellte ZDF-Mann Günther van Endert beri einer Pressekonferenz die neue Serie vor, die der Sender zwei Wochen vor der Ausstrahlung bereits in die Mediathek einstellte, um die Sucht der Serien-Junkies zu befriedigen. Produzent Oliver Berben schilderte den Protagonisten Kronberg als gebrochene Figur: „Er macht Fehler, kommt an Grenzen und weiß nicht mehr weiter.“ In den Fällen gehe es darum, wer sich – abgesehen vom Täter – moralisch schuldig mache. Ferdinand von Schirach nannte bei der Vorstellung der Reihe „Petrocelli“, in den 70er-Jahren im ZDF aktiv, als seinen Lieblingsermittler.

Der schreibende Jurist, dessen Werke schon in mehr als 35 Länder verkauft worden sind, hat zurzeit zahlreiche Eisen im Feuer. Sein Roman „Der Fall Collini“ soll demnächst als internationale Kinoproduktion realisiert werden. Nicht so gut findet er, dass Verteidiger Kronsberg im ZDF einen alten Jaguar fährt. Das sei ein Anwalts-Klischee.

Das störte Bleibtreu, der gern schnelle Autos fährt, gar nicht. Seine Lieblingskrimis waren „Kottan ermittelt“ und „Miami Vice“, seine Mutter Monica habe für „Detektiv Rockford – Anruf genügt“ geschwärmt. Der 43-Jährige hat seine Karriere 1977 mit der ZDF-Serie „Neues aus Uhlenbusch“ begonnen, ist aber längst ein in internationalen Produktionen erfolgreicher Kinostar. In einer der ZDF-Folgen spielt seine Partnerin aus „Soul Kitchen“, die Hamburgerin Pheline Roggan, seine Sekretärin. Auch sonst sind die von Maris Pfeiffer und Hannu Salonen inszenierten Fälle ansprechend besetzt. Vor der Kamera standen unter anderem Gustav Peter Wöhler, Anna Maria Mühe und Michael Gwisdek.

Bleibtreu hat versucht, sich vor Beginn der Dreharbeiten in den an Ferdinand von Schirach angelehnten Charakter hineinzuversetzen. „Ich habe mir gedacht, dass er raucht. Dann habe ich erst einmal Oliver Berben gefragt, ob das auch in Ordnung ist, denn das ist heute nicht mehr selbstverständlich. Ich habe nach Bildern gesucht, die mir etwas über die Figur mitteilen, ohne dass ich etwas sagen muss. Kronberg ist im Hier und Jetzt gefangen und trägt sein Geheimnis vor sich her. Mit dem Rauchen schafft man heute eine extreme Distanz. Man ist dann ein bisschen unerreichbar, weil immer eine Dunstglocke vor einem hängt.“ Berben wusste zu berichten, dass von Schirach Kettenraucher ist.

Von Schirach sei ihm vorgekommen „wie ein Theaterintendant“. Wichtig war ihm auch, welche Anzüge er in der Rolle trägt. „Es gibt verschiedene Ansätze bei der Schauspielerei. Manche arbeiten von innen nach außen, überlegen sich erst eine Biografie, bevor sie zur Emotionalität der Figur kommen. Ich mache das andersherum und überlege mir immer zuerst: Was zieht der an, was für eine Uhr trägt er, bügelt er seine Hemden selbst? So finde ich Zugang zu einer Figur. Wenn sich das rund anfühlt, komme ich auch zu einer Emotion.“

Die Rolle habe seinen Blick auf das Rechtssystem beeinflusst. „Wenn ein Prozess öffentlich ausgetragen wird, macht man sich immer ein Bild, ergreift Partei und wird moralisch. Der Rechtsstaat darf aber nie moralisieren, sondern muss die Frage nach der individuellen Schuld stellen.“ Auch ihm, Bleibtreu, seien Dinge unterlaufen, die ihm später leidgetan hätten. Aber er habe feste Prinzipien und sei zu einer eigenen Definition des Begriffs Schuld gekommen. „Wenn man Mist baut, ist entscheidend, inwieweit man anderen damit schadet.“

Einmal hat er die Grenze allerdings überschritten, es ist schon ziemlich lange her. Als Moritz Bleibtreu 13 Jahre alt war, wurde er dabei erwischt, wie er in einem Gemüseladen Bier mitgehen lassen wollte. „Die Polizei kam. Natürlich hat meine Mutter davon erfahren. ,Klauen ist sowieso schlecht‘, hat sie gesagt. ,Und das war ein Familiengeschäft. Die haben wahrscheinlich drei Kinder und verkaufen dort ihr Obst. Das ist noch viel schlimmer.‘ Und sie hatte vollkommen recht.“ Damals geriet er an pädagogisch aufgelegte Gesetzeshüter, die ihn über Nacht auf der Wache in Gewahrsam nahmen. Es war kurz vor seiner Strafmündigkeit, ein Schlüsselerlebnis, wie er heute findet. „Ich hatte nie kriminelle Energie, sondern habe Quatsch mitgemacht. Ich wollte eben ein cooler Hund sein, und das ist dann nach hinten losgegangen.“ Ihm gehe es eigentlich weniger darum, was man mache, wichtig sei ihm das wie. „Und ich glaube, ich kann von mir behaupten, dass ich noch niemals jemandem etwas Böses angetan habe, und das werde ich auch nie tun.“

Durch die Auseinandersetzung mit seiner Rolle ist er auch zu grundsätzlichen Überlegungen über die verhandelten Verbrechen gelangt. „Die meisten, die kriminell werden, tun das, weil ihnen etwas fehlt. Ich glaube, wir haben nicht einen Fall, in dem jemand wirklich aus krimineller Energie handelt. Das sind alles Affektsituationen.“

„Schuld: Der Andere“ Fr, 21.15 Uhr, ZDF