Bücher mit kostenlosem E-Book inklusive und auch Zeitungen mit ihren digitalen Inhalten müssen sich auf komplizierte neue Steuer-Regeln einstellen. Die Medienbranche ist in Aufruhr.
Hamburg. „E-Book inklusive“ prangt seit einigen Jahren auf den Frontdeckeln von immer mehr Büchern. Dem Käufer verheißt das: Mit dem Erwerb eines gedruckten Buches bekommt man ohne Zusatzkosten die Option, das komplette Buch auch digital herunterzuladen, um es am PC, Tablet-Computer oder Smartphone zu lesen. Damit ist jetzt schlagartig Schluss.
Denn das Bundesfinanzministerium (BMF) von Wolfgang Schäuble hat verfügt, dass zum 1. Juli 2014 die Entgelte für sogenannte Bundles getrennt ausgewiesen und besteuert werden müssen. Bundles sind gedruckte Verlagserzeugnisse, die zusammen mit elektronischen Produkten angeboten werden, wie eben besagte Gratis-E-Books.
Von der Neuregelung sind nicht nur zahlreiche Buchverlage wie der Hamburger Carlsen Verlag, sondern auch Zeitungshäuser wie die Madsack-Gruppe mit Sitz in Hannover, der Bonner Generalanzeiger und die Essener Funke Mediengruppe betroffen, zu der auch das Abendblatt gehört. Sie haben den Abonnenten ihrer Printausgaben bislang den kostenfreien Zugang zu den Online-Seiten gewährt. Das geht nun leider nicht mehr. Wie das Abendblatt reagiert und was das für unsere Abonnenten bedeutet, lesen Sie rechts.
Das BMF argumentiert, dass es sich beim Verkauf eines gedruckten in Verbindung mit einem digitalen Verlagserzeugnisses umsatzsteuerlich nicht um ein einheitliches Druckwerk, sondern um zwei eigenständige Leistungen handelt. Während für das Druckwerk der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent für Kulturangebote gilt, muss auf digitale Produkte die volle Mehrwertsteuer von 19 Prozent erhoben werden.
Kombiprodukte seltsamerweise nicht betroffen
Seltsamerweise gilt diese Steuersplittung nicht für Kombiprodukte, also Bücher, denen eine CD-ROM, eine DVD oder ein Spielzeug beigelegt wird. Hier wird nämlich der Steuersatz nach dem „charakterprägenden“ Bestandteil der Produktkombination festgelegt. Ein Buch, dem Zusatztexte auf einer CD beigefügt sind, würde dann glatt mit sieben Prozent besteuert.
Die neue Vorgabe aus Berlin ist jedenfalls bindend – und für die Branche brutal kurzfristig. Zwar wurden die Finanzbehörden der Länder bereits Ende November 2013 informiert, der Erlass per Verwaltungsschreiben erging aber erst am 2. Juni 2014. Für Verlagshäuser, die Bundles im Angebot haben, hat das teils verheerende Folgen – bis hin zum Einstampfen kompletter Auflagen.
Zwei Steuersätze in einem Preis – unmöglich
Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, kritisiert vor allem die Kurzfristigkeit des Erlasses: „Das BMF-Schreiben macht branchen- und deutschlandweit Verlage und Händler seit dem 1. Juli 2014 zu Steuersündern, ohne dass diesen ein angemessener Anpassungszeitraum für die Umstellung zur Verfügung stand.“ Auch technisch sei dies nicht machbar: „Der Handel verfügt nicht über Kassensysteme, die eine Verarbeitung eines Barcodes mit einem gesplitteten Umsatzsteuersatz zulassen würden.“ Es seien aufwendige Neucodierungen, Softwareveränderungen und veränderte Buchhaltungsabläufe nötig.
„Um die unterschiedlichen Steuersätze zu erfassen, müssten unsere Bücher jetzt eigentlich zwei Barcodes haben“, erklärt Margit Knauer, Pressesprecherin des Campus Verlags, einem der Branchenriesen bei populären Sachbüchern. „Das geht natürlich nicht.“ Die Folge: Bücher mit Gratis-Codes für das E-Book wie die Bestseller von Malcolm Gladwell müssen aus dem Programm genommen werden.
Das Aus für kostenlose zusätzliche Digitalangebote?
Da diese steuerliche Vorgabe kurzfristig nicht umsetzbar ist, behandelt Campus seit 1. Juli alle Umsätze mit „E-Book inside“-Titeln separat und versteuert dieses mit 12 Prozent nach. Ein irrwitziger Aufwand für die Korrektur der Rechnungsstellung und die Nachversteuerung steht den Verlagen somit ins Haus. Für die Kunden bedeutet das: Kostenlose digitale Zusatzangebote wird es künftig wohl nicht mehr geben. „Sollte die Regelung so aufrechterhalten werden, sehen wir uns gezwungen, das Angebot von ,E-Book inside’ einzustellen. Die knappen Buchkalkulationen erlauben es nicht, das Geschäftsmodell unter diesen Bedingungen rentabel aufrechtzuerhalten“, bedauert Campus-Verleger Thomas Carl Schwoerer.
Was das für das Hamburger Abendblatt bedeutet
Die überraschende Trennung von Zeitungen und ihren digitalen Inhalten in zwei Steuersätze (7 und 19 Prozent) betrifft auch das Hamburger Abendblatt – und unsere Leserinnen und Leser. Alle Abonnenten der gedruckten Ausgabe konnten sich bislang mit Kundennummer und Postleitzahl für unsere Digitalangebote kostenlos freischalten lassen. Das ist aufgrund der neuen Rechtslage leider nicht mehr möglich.
Wie alle Zeitungsverlage in Deutschland dürfen wir das Komplettpaket „Zeitung plus kostenlose digitale Inhalte“ nicht mehr anbieten. Und innerhalb eines Abonnementpreises darf man die Angebote steuerlich nicht splitten. Beide Teile, so das Bundesfinanzministerium, müssen als eigenständige Leistung an die Abonnenten betrachtet werden.
Die Abonnenten, die in den letzten Monaten unsere digitalen Inhalte genutzt haben, haben wir hierzu bereits schriftlich informiert. Wir werden uns in Kürze mit Informationen über das weitere Vorgehen bei Ihnen melden. Wenn Sie bislang die digitalen Angebote des Hamburger Abendblatts genutzt haben oder es in Zukunft tun wollen oder sonst Fragen zu dem Thema haben, schreiben Sie uns bitte an digital@abendblatt.de. Wir setzen uns dann gerne mit Ihnen in Verbindung.