Pünktlich zu Himmelfahrt kehrt der totgeglaubte „Sherlock“ in der dritten Staffel der kongenialen BBC-Serie mit Benedict Cumberbatch und Martin Freeman in den Hauptrollen zurück in die Bakerstreet 221 B.
Hamburg. Wie hat er es denn nun gemacht? Hat ein Hypnotiseur Watson abgelenkt, war die ausdauernd verliebte Molly eingeweiht, haben Sherlock und Moriarty am Ende gar gemeinsame Sache gemacht, um den Tod des Meisterdetektivs vorzutäuschen? Diese Fragen beschäftigen nicht nur Fans der BBC-Serie „Sherlock“, die den Beginn der dritten Staffel sehnlichst herbeigewünscht haben. Auch das namensgebende Bewunderergrüppchen „Der leere Sarg“ in der Serie selbst mag nicht daran glauben, dass Sherlock Holmes (Benedict Cumberbatch) sich tatsächlich vom Dach des Krankenhauses in den Tod gestürzt hat, vor den Augen seines Adlatus Watson (Martin Freeman).
Zwei Jahre sind vergangen, seit „Der Reichenbachfall“ mit dem vermeintlichen Tod Sherlocks endete, zwei Jahre, in denen der Meisterdetektiv nicht untätig war. Watson übrigens auch nicht: Nicht nur einen schmucken Schnurrbart, auch seine Beziehung zu Mary (Amanda Abbington) hat der Doktor kultiviert. Sehr zur Freude der Holmes-Haushälterin Miss Hudson, deren Vermutung, dass Sherlock und er mehr als nur ein Ermittlungs-Paar waren, Watson empört von sich weist. Er liebe nur Mary, wolle sie sogar heiraten.
Den Antrag will der Doktor seiner Holden ganz romantisch in einem Restaurant bei Champagner und einem schicken Dinner machen. Wenn da bloß nicht dieser aufdringliche Kellner mit dem lächerlichen französischen Akzent wäre. Hinter Fliege und aufgemaltem Schnurrbart verbirgt sich – natürlich – Holmes. Er sei kein Psychopath, sondern „ein hochfunktionaler Soziopath“, hat Sherlock einmal erklärt. Und dieser Selbstbeschreibung bleibt er treu. Die zwei Jahre, in denen Watson dachte, sein Freund weile nicht mehr unter den Lebenden, sie sind irrelevant. Wichtiger ist, dass weder Sherlock noch Mary die neue Gesichtsfrisur Watsons ausstehen können. Woher Sherlock das weiß? Er hat es ihr natürlich angesehen. Schließlich ist er nicht irgendwer. Sondern eine Hälfte eines genialen Brüderpaares.
Mycroft Holmes (Drehbuchautor Mark Gattis), Staatsbediensteter mit ebenso nebulösen wie weitreichenden Befugnissen, hat seinen Bruder aus der Tiefe des Undercover-Einsatzes gegen das von Moriarty gesponnene Terrornetzwerk zurückgeholt, um einer viel akuteren Bedrohung zu begegnen. Und Sherlock geht mit arroganter Selbstverständlichkeit davon aus, dass Watson die zurückliegenden zwei Jahre ausblenden und ihm einmal mehr zur Seite stehen wird. Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Zwar hat sich der Doktor so weit berappelt, dass er von weiteren körperlichen Erziehungsmaßnahmen absieht. Aber auf die Rückkehr zur Ermittlungsnormalität – soweit man beim Umgang mit dem Turbo-Exzentriker von Normalität sprechen kann – hat Watson zunächst überhaupt keine Lust. Und Sherlock vertreibt sich die Zeit mit deduktivem Spielkram. Der Besitzer einer vergessenen Mütze, veruntreutes Geld, ein imaginierter Brieffreund und ein Mord, der keiner ist, sie überbrücken die Zeit, bis sich die Hinweise auf einen bevorstehenden Anschlag auf das Herz des Commonwealth verdichten, eher schlecht als recht. Derweil kümmert sich Watson in seiner Praxis mit ähnlicher Motivation um Hodenhochstand, Hämorrhoiden und andere Unappetitlichkeiten.
Von so manchem im Leben wünscht man sich eine Weiterentwicklung, etwas Neues, Unerwartetes. Nicht so von „Sherlock“. Die Stärken der BBC-Serie, die über das kongeniale Schauspielerpaar aus Cumberbatch und Freeman hinausgehen, sie sollten am besten auf immer und ewig konserviert bleiben. Die geistreichen Dialoge und unvorhergesehenen Wendungen, die scharfen Schnitte und Perspektivwechsel, die optischen Spielereien mit den eingeblendeten Textmitteilungen und die gekonnte Modernisierung der über 100 Jahre alten Kriminalgeschichten zwischen Humoreske und Thriller , sie waren in den ersten beiden Staffeln das Rezept für den Erfolg. Und sie bleiben es auch in der dritten Staffel. Nicht nur Holmes macht genau da weiter, wo er aufgehört hat. Auch das Team um die Autoren Steven Moffat und Mark Gatiss hat seine Stärken weiterhin klar im Blick und nutzt sie. Da ist es nur konsequent, dass sich auch Watson seiner neuen Bartpracht bald wieder entledigt. Und Holmes schließlich doch beisteht. Denn was wäre das Genie schon ohne seinen getreuen Adlatus?
Und wie war das jetzt mit dem fingierten Suizid? „Das ist ein Trick. Bloß ein Zaubertrick.“ Sherlock lässt sich nicht gern in die Karten schauen, zumindest so lange nicht, bis er alle Asse auf der Hand hat.
„Sherlock – Der leere Sarg“, Do 21.45 Uhr, ARD (Teil zwei und drei am 8. und 9. Juni)