Sobald der verunglückte siebenfache Formel-1-Weltmeister in eine Reha-Klinik gehen können sollte, will Sabine Kehm keine Statements mehr über den Zustand Michael Schumachers abgeben. Kritik an „Ferndiagnosen“.
Berlin/Marrakesch. Über den weiteren Heilungsverlauf und die weitere Genesung von Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher besteht 15 Wochen nach seinem Ski-Unfall noch immer Ungewissheit. Prognosen seien nicht möglich, betonte seine Managerin Sabine Kehm am Sonntag in der ARD-Sendung „Günther Jauch“. „Die bekommen wir auch von den Ärzten nicht“, sagte Kehm. Sie versteige sich auf die These, dass kein Mediziner diese Frage beantworten könne: „Jeder Fall ist individuell.“
Kehm beklagte im ARD-Talk zugleich „Ferndiagnosen“ über den Gesundheitszustand Schumachers. „Es schalten sich leider Mediziner von außen ein“, die den Zustand des Koma-Patienten „interpretieren“, sagte Kehm. Die Managerin berichtete erneut von „Momenten des Bewusstseins und der Wachheit“ bei Schumacher. Das sei eine gute Nachricht.
Bei Ferndiagnosen von Ärzten, die Schumachers Krankenakte nicht kennen, handele es sich um Interpretationen, „die sehr an der Wirklichkeit vorbeigehen“ und mit denen sich Schumachers Umfeld „jedes Mal aufs Neue“ auseinandersetzen müsse, sagte Kehm. „Für die Familie wäre es gut, wenn mal Ruhe einkehren würde.“
Über den aktuellen Gesundheitszustand Schumachers sagte Kehm, er mache „kleine Fortschritte, die machen uns sehr froh und geben uns auch Mut“. Es handele sich um „kleine Momente der Bewusstheit, des Erwachens und der Wachheit, und das ist per se eine gute Nachricht.“
Patienten mit einer Gehirnverletzung könnten wach sein und trotzdem kein Bewusstsein haben, erläuterte Kehm. Bewusstsein sei schon „etwas mehr“: „Das bedeutet, man ist in der Lage, wie auch immer, vielleicht auch in ganz eingeschränkter Form, in Interaktion mit seiner Umwelt zu treten.“ Das sei „eine Voraussetzung, um dann weitermachen zu können“.
Eine Prognose für Schumacher wollte die Managerin nicht abgeben. Jeder Fall sei individuell, jede Gehirnverletzung könne sich anders auswirken. „Prognosen sind eigentlich deshalb nicht wirklich möglich“, stellte Kehm klar.
Schutz der Privatsphäre
Weitere Details zum Zustand des zweifachen Familienvaters nannte sie mit dem Verweis auf die Privatsphäre des siebenmaligen Champions und seiner Familie nicht. Schumacher habe schon immer größten Wert auf den Schutz seiner Privatsphäre gelegt. In diesem Sinne wolle man erst recht diese Entscheidung aufrechterhalten, erklärte Kehm, die selbst fast jeden Tag in Grenoble im Krankenhaus sei.
In diesem Zusammenhang übte Kehm auch Kritik an Medien und Experten, die sich ohne Detailkenntnis zu Schumachers Zustand geäußert hatten. „Am meisten haben uns die Ferndiagnosen geärgert, in denen Michael schon in einen hoffnungsvollen Zustand befördert wurde.“
Auch Schumachers Weggefährten Jean Alesi – der ehemalige Formel-1-Pilot hatte zuletzt über einen Besuch im Krankenhaus in Grenoble und über den Zustand Schumachers berichtet – kritisierte Kehm. „Solche Äußerungen bedeuten, dass es neue Berichterstattung gibt, neue Interpretationen, die zum Teil an der Wirklichkeit vorbeigehen“, sagte die ehemalige Journalistin. Zum Teil manifestiere sich dadurch eine „virtuelle Wirklichkeit, die mit der Realität nichts zu tun hat“, sagte Kehm.
Die Managerin bestätigte, dass es Versuche gab, auf der Intensivstation des Krankenhauses in Grenoble zu Schumacher vorzudringen. Ein Reporter habe sich kurz nach dem Unfall als Priester verkleidet, ein anderer Mann habe sich als Vater Schumachers ausgegeben. Auch sei Angehörigen anderer Patienten auf der Station Geld für Fotos von Schumacher geboten worden.
Dank für Anteilnahme der Fans
Kehm bedankte sich ausdrücklich für die Anteilnahme der Fans, die sich in Briefen, E-Mails und durch Geschenke äußern. „Das ist ganz toll, so viel Anteilnahme ist wirklich überwältigend.“ Sie komme von „wohlmeinenden Menschen“ und gebe „der Familie wirklich Kraft“.
Auch Jean Todt, Präsident des Welt-Automobilverbandes FIA, nimmt weiter großen Anteil am Schicksal des Ex-Rennfahrers. Am Rande des Saisonauftakts der Tourenwagen-Weltmeisterschaft in Marokko sagte Schumachers langjähriger Weggefährte am Sonntag: „Michael kämpft noch immer. Er kämpft, und wir können nur hoffen und beten, dass es im Laufe der Zeit besser wird.“
Todt betonte erneut, dass Schumacher in der Uniklinik im französischen Grenoble in sehr guten Händen sei. „Michael und seine Familie stehen mir sehr nahe“, sagte der 68-Jährige: „Dieser Unfall war eine Tragödie“.
Wunsch, die Medienarbeit einzustellen
Managerin Kehm hatte sich wiederholt über Spekulationen zu Schumachers Gesundheitszustand beklagt und darum gebeten, auf die offiziellen Stellungnahmen zu vertrauen. Zuletzt hatte Kehm am 4. April erklärt, Schumacher zeige „Momente des Bewusstseins und des Erwachens“. Bei Günther Jauch kündigte sie nun an: „Unser Wunsch wäre schon, dass ab dem Moment, in dem Michael in eine Reha-Klinik gehen könnte, wir die Medienarbeit einstellen.“
Der 45-jährige passionierte Skifahrer war am 29. Dezember im Skigebiet Méribel in den französischen Alpen abseits der markierten Pisten gestürzt und mit dem Kopf auf einen Fels aufgeschlagen. Er erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und wurde in der Uniklinik Grenoble in ein künstliches Koma versetzt. Ende Januar wurde die Aufwachphase eingeleitet, Anfang April berichtete Kehm erstmals von „Momenten des Bewusstseins und des Erwachens“ bei Schumacher.